Literatur Erinnerung an eine wilde Liebe mit 17

Wuppertal · Arne Ulbricht hat seinen neuen Roman „Schilksee 1990“ veröffentlicht.

 Das Cover zu Arne Ulbrichts Roman „SchilkseeW.

Das Cover zu Arne Ulbrichts Roman „SchilkseeW.

Foto: Edition Outbird

Mit „Als ich in deinem Alter war….“ beginnen meist Vergleiche, die zu ungunsten der jüngeren Generation ausgehen. Arne UIbricht nimmt die Formulierung in seinem neuen Roman „Schilksee 1990“ wörtlich: Als sein Protagonist Fabian Herzog seine 17-jährige Tochter Flora immer weniger versteht, taucht er ab in die Zeit, in der er selbst 17 Jahre alt war.

Im Herbst 2019 ist Fabian Herzog als Digitalisierungskritiker und Autor nach langer Durststrecke endlich auf der Erfolgsspur, aber selbstzufrieden und überheblich geworden. Mit seiner Tochter, zu der er eine enge Beziehung hatte, streitet er immer öfter. Eines Tages müssen er und seine Frau, eine erfolgreiche Professorin, Flora bei der Polizei abholen, weil sie Autoreifen zerstochen hat. Fabian versteckt aus Wut Floras Handy und reist Richtung Frankfurter Buchmesse ab. Per Mail erreicht ihn eine schriftliche Abrechnung seiner Tochter. Sie wirft ihm Verrat seiner Ideale, Prahlen mit seiner politischen Jugend und Ignoranz ihrer Lebenswelt vor.

Zu Hause verbannt ihn seine Frau ins Arbeitszimmer, referiert vorher über Zeitreisen in Literatur und Film. Und nachdem Fabian lange in einem Koffer voller Erinnerungsstücke gekramt hat, findet er sich tatsächlich im Herbst 1990 wieder – anschaulich geschildert mit Details von Aidsangst bis Telefonkarte.

Der Autor spielt mit verschiedenen Textformaten

Er lebte wieder als 17-Jähriger im Kieler Vorort Schilksee, verbringt die Wochenenden in der Disko Traumfabrik, er und seine männlichen Freunde führen eine Dauerfehde mit einer Gruppe Rechter und diskutieren über die Wiedervereinigung. Die Jungen geben sich einerseits Punkte für Sex-Erfahrungen und nutzen Gelegenheiten dazu gern, Fabian leidet andererseits vor allem unter der Trennung von seiner großen Liebe Juli und will sie zurückgewinnen – mit langen Briefen, nächtlichen Besuchen, Versuchen, sie eifersüchtig zu machen, und Gedichten.

Arne Ulbricht spielt mit verschiedenen Textformen und den Ebenen der Fiktion: Er lässt Fabian darüber nachdenken, ein Buch über seine Zeitreise zu schreiben. Und darüber, Biografisches mit Fiktion zu mischen. So, wie Ulbricht es selbst getan hat. Er hat in dem Roman seine eigene Jugend lebendig werden lassen, zum Teil dramaturgisch angepasst. (Und seine einstige große Liebe hat dem Buch ihren Segen gegeben.)

Die Begründung des Zeitenwechsel wirkt etwas konstruiert, aber insgesamt machen Ulbrichts flüssige Sprache und seine lebensnahe, oft humorvolle Darstellung den Roman zu einer anregenden Lektüre, die den Generationenkonflikt um die Politisierung der Jugend, die Diskussionen um neue Medien, das Leben eines Autors und das Maß (männlicher?) Selbstbezogenheit in Beziehungen thematisiert.

Arne Ulbricht: Schilksee 1990, Verlag Edition Outbird, Taschenbuch, 16,90 Euro, ISBN 978-3-948887-03-2

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort