Ein total netter Nichtraucher

Kolumnist Uwe Becker verkneift sich seit 26 Tagen die Zigaretten.

Ein total netter Nichtraucher
Foto: Joachim Schmitz

Es ist unfassbar und grandios zugleich: Seit 26 Tagen rauche ich nicht mehr. Und plötzlich geschehen Dinge, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Ich bin vor zwei Jahren extra in eine Erdgeschosswohnung gezogen, weil mir das Treppensteigen in den 1. Stock immer schwerer fiel. Inzwischen habe ich so viel Luft, dass ich zunächst bis zum 4. Stock hoch laufe, auf dem Dachboden ein paar Kniebeugen, Klimmzüge und Liegestützen mache und danach locker die Treppe herunterlaufe, um meine Wohnung aufzusuchen.

Die Zeit, die ich früher damit verbrachte, 50 Zigaretten zu drehen und zu rauchen, nutze ich heute für stundenlange Spaziergänge und Waldläufe auf der Hardt, oder ich fahre mit dem Fahrrad die Nordbahntrasse rauf und runter. Dass mir der Verzicht auf Tabak so leicht fällt, überrascht mich nicht wirklich, hatte ich mich schon damals immer wieder gefragt: „Warum zündest du dir jetzt eine Zigarette an, du hast doch gerade erst eine geraucht?!“

Seitdem ich dem Nikotin entsage, stelle ich auch eine Sensibilisierung meiner Geschmacksnerven fest. Nachdem ich kürzlich in meinem Lieblings-Fastfood-Restaurant wieder einen Hamburger essen wollte, winkte ich nach dem ersten Biss eine Servicekraft zu mir, um ihr mein Entsetzen über den Geschmack des Fleischklopses mitzuteilen. Ich fragte, ob man vielleicht die Rezeptur geändert hätte, weil es nun ja so schlimm schmecken würde, aber dies konnte die freundliche Bedienung nicht bestätigen. Was habe ich da bloß jahrelang in mich hinein geschaufelt? Ab sofort werde ich bei meiner Nahrungsaufnahme streng darauf achten, nur noch erstklassige, inspirierte und professionelle Gerichte zu berücksichtigen: Es lebe die Nouvelle und Haute Cuisine! Hauptsache, frisch und lecker. Ich weiß ja nun endlich, wie alles schmeckt.

Begrabt mein

Herz in Wuppertal

Seit ich nicht mehr rauche, habe ich noch mehr Veränderungen an mir wahrgenommen: Mein Gehör funktioniert wieder viel besser. Früher habe ich beim Gottesdienst den Herrn Pfarrer in der Kirche akustisch kaum verstehen können, heute nehme ich seine Predigt so laut wahr, dass ich mich in die letzte Reihe setze und mir zusätzlich beide Ohren zuhalten muss.

Mein Sehvermögen war bis dato weder von Weit- noch von Kurzsichtigkeit geprägt, aber gestern konnte ich tatsächlich aus der Schwebebahn heraus am Wupperufer eine klitzekleine Feldmaus wahrnehmen, das ist doch unglaublich, oder? Durch den Verzicht auf Nikotin verschärft sich auch der Geruchssinn, was allerdings in vollbesetzten Bussen und Bahnen weniger von Vorteil ist.

Ich kann also allen Rauchern nur empfehlen, das schädliche Quarzen zu beenden. Die Angst vieler, dass man an Gewicht zunimmt, kann ich nachvollziehen, dennoch sind mir die Vorteile, die eine Entsagung des Tabakkonsums bietet, lieber als ein schlanker Fuß. Auch wenn man mich in ein paar Monaten „Uwe, den pummeligen Kolumnisten mit dem Speckgesicht aus Unterbarmen“ nennen sollte, würde ich mit dem Rauchen nicht wieder beginnen.

Mit meinen Nachbarn muss ich auch mal ein ernstes Wort reden: Im Treppenhaus stinkt es doch sehr nach Zigarettenqualm. Ich werde bestimmt ein total netter und beliebter Nichtraucher.

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