Ein scharfer Blick auf die Gesellschaft

Julia Meier und Marie-Anjes Lumpp traten im Tic mit ihrem ersten Comedyprogramm auf.

Ein scharfer Blick auf die Gesellschaft
Foto: Massimo Cardascia

Einen scharfen Blick auf die Gesellschaft bieten Julia Meier und Marie-Anjes Lumpp in ihrem Comedy-Programm „Vogelfrei“. Eigentlich sind die beiden jungen Frauen Musical-Darstellerinnen. Beide haben an der Folkwang-Universität studiert und in bedeutenden Musical-Inszenierungen mitgewirkt. Jetzt wollte das Duo seine eigenen Vorstellungen verwirklichen. Julia Meier war schon als Mädchen am Tic zu erleben und hat dem Haus seitdem die Treue gehalten.

So präsentierte sie nun ihr erstes „Dreispartenkabarett“ im Tic-Atelier vor ausverkauftem Haus. Zum Erstaunen des Publikums tanzen die beiden Frauen erst einmal Ballett. Auf Spitzen trippeln sie im Schwanensee-Outfit zur Original-Musik herein. Wie bei einem Comedy-Programm zu erwarten, läuft die Choreografie um den schönen und sterbenden Schwan nicht problemlos ab. Die Darstellerinnen hauen sich Paddel um die Ohren, diskutieren über die Geschichte vom Prinzen und Schwan und zeigen stöhnend ihre blutigen Zehen. Richtig gut werden die beiden in ihren Liedern. Spitz stellen sie die Emanzipation in Frage: „Ich will zurück an den Herd, und einen Prinz auf dem Pferd“, singen sie. „Vom Patriarchat abgekehrt - ist es das wert?“ Oder sie skandieren: „Ich reg mich auf“ - über Ungerechtigkeiten, fehlende Geschlechter-Gerechtigkeit, mangelnden Umweltschutz.

Julia Meier und Marie-Anjes Lumpp spielen eine Szene in einem Dessous-Geschäft, bei der die Käuferin auf der Suche nach neuer Weiblichkeit ist. Als sie den von der Verkäuferin wärmstens empfohlenen BH „mit Brilli und sooo schön verarbeitet“ anlegt, wird sie gleich einige Zentimeter größer. Oder die jungen Frauen ziehen in wohlgesetzten Worten über junge Mütter und deren eingeschränkte Sicht auf ihren Nachwuchs her.

Musikalisch bewegen sie sich dabei immer auf höchstem Niveau. Feinfühlig und ohne einen Blick in Noten begleitet Julia Meier auf dem Klavier oder auch auf einer Mini-Gitarre. Stimmlich füllen die beiden mühelos und mit vielen Nuancen das Atelier. Neben den gesellschaftskritischen Liedern, bei denen der Text im Vordergrund steht, singen sie auch träumerische Songs auf Englisch. Dabei sitzen sie halb unter ihrem Gummiboot, das sie durch das ganze Programm begleitet. Die Rahmenhandlung hat einige Längen; doch alleine die Texte lohnen den Besuch. Nach zweieinhalb Stunden jubelten die Premierenzuschauer begeistert über das neue Comedy-Format. tah

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