Ducati-Unfall: Schuld, Strafe, Vergebung

Seit einem Unfall im Juni ist eine junge Frau gelähmt. Sie war Mitfahrerin auf einem Motorrad. Der Fahrer (19) wurdeam Donnerstag zu 200 Arbeitsstunden verurteilt. Das Opfer hat ihm vergeben.

Wuppertal. Sie kommt. So richtig haben die Prozess-Teilnehmer nicht damit gerechnet, aber sie kommt. Gemeint ist eine 18 Jahre alte Frau im Rollstuhl. Sie sagt: "Ab dem Bauchnabel abwärts spüre ich nichts mehr." Hin und wieder lächelt sie. Tapferer und optimistischer als diese junge Frau kann man wohl nicht sein.

In der Nacht des 26. Juni dieses Jahres hat sich ihr Leben radikal geändert. Sie war Mitfahrerin auf einer Ducati Monster. Auf der Fahrt vom Briller Kreuz zur B7 gerät die Maschine in Schieflage. Ein Sturz: Fahrer und Beifahrerin werden beide schwer verletzt. Doch bei der jungen Frau ist die Diagnose niederschmetternd: Querschnittslähmung.

Am Donnerstag der Prozess zum Unfall. Auf der Anklagebank: Der junge Mann, der in jener Nacht die Maschine fuhr. Gymnasiast, 19 Jahre jung, Motorrad-Fan. Die Ducati hat ihm sein Vater geschenkt. Mit der Auflage, dass es in der Schule läuft und dass er das in der Leistung gedrosselte Motorrad nicht "frisiert".

Doch der damals 18-Jährige hält sich nicht an die Vorgaben. Vor Gericht gesteht er, die Drosselung entfernt zu haben. Damit war sein Führerschein nicht mehr gültig. Das ist ein Vorwurf aus der Anklage. Es gibt noch einen. Den, der fahrlässigen Köperverletzung. Es geht um die Frage, warum es auf der Strecke zum Sturz kam. In einer Kurve, die dem geübten Fahrer eigentlich keine Schwierigkeiten bereiten dürfte. Außer, er war zu schnell unterwegs.

Letzteres vermutet Jugendrichter Jörg Sturm. Seine Fragen an den Angeklagten und an die Zeugen der Fahrt sind wie Nadelstiche. Gab es ein illegales Autorennen in der Unfall-Nacht? Ein Polizist sagt klipp und klar: "Dass die da mit 50 oder 65 runter sind, glaube ich nicht." Es lässt sich nicht wirklich sagen, was passiert ist. Es ist die Frage nach Schuld und Strafe - selbst dem Anwalt der gelähmten Frau fällt es schwer, darauf eine klare Antwort zu geben.

Die junge Frau im Rollstuhl kann sich nicht an den Unfall erinnern. Sie hat sich erzählen lassen, was passiert sein soll. Sie lag fünf Wochen im Krankenhaus. Seit fünf Monaten macht sie ihre Reha. Sie kann sich jetzt allein anziehen und duschen. Ein Rutschbrett hilft ihr ins Bett. Sie lächelt wieder. Und: Sie hat dem Unfall-Fahrer vergeben. "Ich will einen Schlussstrich ziehen. Ich hasse ihn nicht. Es würde doch nichts bringen", sagt sie mit fester Stimme. Stark und erwachsen ist das. Der Angeklagte wirkt dagegen wie ein Junge.

Seine Eltern sind im Saal. Der Vater berichtet von Suizid-Versuchen seine Sohnes. Der 19-Jährige sei jetzt in psychotherapeutischer Behandlung - endlich. Er komme mit dem Unfall einfach nicht klar: "Das ist nicht mehr der Junge, der er vorher war", sagt der Vater. In seinem letzten Wort sagt sein angeklagter Sohn: "Es tut mir unheimlich leid."

Am Ende wird er wegen fahrlässiger Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter anderem zu 200 Arbeitsstunden verurteilt. Als damaliger Fahrer der Ducati trage er für den Zustand der gelähmten Frau Verantwortung, begründet das Gericht die Entscheidung. Ins Gefängnis muss er nicht. Der junge Mann nimmt das Urteil an.

Am Ende der Verhandlung bekommt er sogar seinen Führerschein zurück. Den hatte er nach dem schweren Unfall abgegeben - freiwillig.

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