Diskussion in Wuppertal Wie unantastbar ist die Menschenwürde?

Wuppertal · Wie politisch ist die Jugend und wie aktuell ist die Verfassung? Darüber diskutierten Politiker, ein Aktivist und ein Lehrer in der Wuppertaler Citykirche.

 Die Diskussion in der City-Kirche mit Jungpolitikern.

Die Diskussion in der City-Kirche mit Jungpolitikern.

Foto: Eike Rüdebusch

Ist die Würde unantastbar? Was stimmt mit dem Grundgesetz, was nicht? Und wie lassen sich junge Menschen für Politik begeistern, für Diskussionen um den Zustand der Republik? Darum ging es am Donnerstagabend in der Citykirche.

Marcus Kiesel vom Verein die Politiksprecher hatte sechs Jungpolitiker und Aktivisten sowie einen Lehrer eingeladen, um über „die Verfassung der Verfassung“ zu sprechen.

Es sollte ein durchaus streitbarer Abend werden - trotz der großen Einigkeit im Bezug auf die generell gute Verfassung des Grundgesetzes. Das lag auch an Moderator Marcus Kiesel, der gerade beim Engagement der Jugend und beim Zustand der Parteien nachhakte, bis zu dem Punkt, dass ihm gar ein aggressiver Unterton unterstellt wurde.

Aber von vorne: Kiesel eröffnete die Veranstaltung mit rund 40 Zuschauern damit, dass man einen Blick darauf werfen wolle, wie junge Menschen wertschätzen, was einige unseren Wertekatalog nennen.

„Wie ist der Zustand unserer Verfassung?“ war die erste Frage. Die Antworten machten gleich deutlich, dass die Diskussionsteilnehmer nicht unkritisch sind. Liliane Pollmann aus dem Vorstand von Bündnis 90/Die Grünen Wuppertal bemängelte die fehlende Erwähnung von sexueller Identität in Artikel 3. Lena Stockschläder (stellvertretende Vorsitzende der Jusos) fragte nach der Umsetzung bei den bisher erwähnten Gruppen, die demnach nicht diskriminiert werden dürften. „Haben wir Gleichberechtigung, haben wir strukturellen Rassismus?“ Janet Kinnert (Junge Union) wurde noch grundsätzlicher: „Ist die Würde unantastbar? Ich würde sagen, sie wird täglich sehr viel angefasst.“

Kiesel fasste nach: „Wie kann man Würde denn definieren?“ Kinnert sprach von Erfahrungen aus Workshops mit Jugendlichen: „Ich komme sehr oft zu dem Schluss, dass es leichter erkennbar ist, wenn sie nicht da ist.“ Das Gefühl, dass etwas nicht gerecht sei, nicht okay, sei sehr präsent. Das spüre man deutlich.

Kiesel wollte wissen, welche Rolle Wertediskussionen in Jugendorganisationen spielen. „Sind junge Menschen Kämpfer für ihre Werte?“ Pollmann sprach von glühenden Verfechtern in den Jugendorganisationen - und Kiesel lies das nicht durchgehen. Bei der Jahreshauptversammlung der Jusos hätten 17 Stimmen ausgereicht, um den Vorsitzenden zu wählen. Warum könnte man nicht mehr Menschen bewegen? „Tut das nicht weh?“

Lena Stockschlaeder, stellvertrende Vorsitzende der Jusos Wuppertal, versuchte, sich für die Jusos zu rechtfertigen. Mehr als versuchen, neue Leute zu gewinnen, könne man auch nicht. Aber Kiesel reichte das nicht, er bohrte weiter: Auch bei den Liberalen reiche doch ein Wohnzimmer für ein Treffen. Warum seien die Gruppen so erfolglos beim Gewinnen neuer Leute?

In der Politik müsse man Geduld mitbringen

Robin Hölter nannte es wohlfeil von Kiesel, „uns zu kritisieren“. Er sehe eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darin, für Parteipolitik zu werben, deren Wert klarzumachen. Dafür seien Leute wie er, die mit gutem Beispiel vorangehen, aber nicht allein verantwortlich.

Er brachte aber gleich einen Grund mit, warum Politik nicht so attraktiv ist: „Man muss Geduld mitbringen. In der Politik dauert es.“ Aber das Schneckentempo – „noch ein Ausschuss, noch ein Ausschuss“ – sei auch von Vorteil. So sei man gezwungen, alles ausgewogen zu durchdenken, mit allen zu reden. Auch Till Sörensen (Linksjugend Solid), der sonst wenig Übereinstimmung mit Hölter fand und das gerne auch betonte, bestätigte, dass das Tagesgeschäft eben „wahnsinnig unsexy“ sei.

Lena Stockschläder hakte ein und wehrte sich gegen die pauschale Aussage, dass „die Jugend unpolitisch sei“. Fridays for Future sei doch der aktuelle Gegenbeweis.

Und Jasper Storms von der Klimaschutzbewegung machte der Politik den Vorwurf, dass sie „keine Vision“ habe. Parteien würden nicht die Ansichten der Jugend vertreten und sich nicht öffnen für neue Ideen. Er sieht darin ein großes Manko.

Silvio Geßner, Studienrat der Else-Lasker-Schüler-Gesamtschule, machte klar, wie seine Schüler das sehen - die vielfach nicht aus Haushalten kämen, in denen sie politisch sozialisiert werden. „Was haben die für ein Bild von Politik? Langweilig!“ Er sagt, gerade bei Schülern wie an der Else müsse politische Sozilisation in der Schule stattfinden – aber es werde immer mehr Zeit für Wirtschaftsunterricht geschaffen, immer mehr Zeit für das Fach Politik abgeknapst. Dabei sei schon jetzt zu wenig Zeit für Politik vorhanden. „Politik ist für die Schüler nicht nahbar genug, da muss mehr passieren.“

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