Wuppertaler Geschichte Eine kleine Straße mit bedeutender Vergangenheit

Barmen. · Die Eugen-Rappoport-Straße war bis 1984 nach Julius Dorpmüller benannt. Ein Buch beschreibt ihre Entnazifizierung.

 Seit 1984 ist Eugen Rappoport Namensgeber der kleinen Straße auf dem Werth. Der Hals-, Nasen- und Ohrenfacharzt wurde im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet.

Seit 1984 ist Eugen Rappoport Namensgeber der kleinen Straße auf dem Werth. Der Hals-, Nasen- und Ohrenfacharzt wurde im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet.

Foto: Sammlung H. W. Otto

Otto von Bismarck, der „eiserne Kanzler“ schaut gewohnt streng von seinem Sockel am Haus der Jugend in Barmen auf die von einem Blumenladen und einem Bäckerei-Discounter eingerahmte Eugen-Rappoport-Straße, die eigentlich mehr ein Sträßchen ist. Nur wenige Schritte, und man hat sie durchquert. Aber trotz ihrer eher bescheidenen Bedeutung kann sie auf eine recht bewegte Vergangenheit zurückblicken.

Denn sie wurde 1984 „entnazifiziert“, nämlich umbenannt von Julius-Dorpmüller-Straße in ihren bis heute gültigen Namen, den des jüdischen Hals-, Nasen- und Ohren-Facharztes Eugen Rappoport. Der wurde im Juli 1942 mit seiner Frau Elsa und 262 Leidensgefährten ins Konzentrationslager Theresienstadt transportiert und am 21. September desselben Jahres ermordet.

Der in Elberfeld geborene Julius Dorpmüller dagegen war eine Nazi-Größe, von 1926 bis 1945 Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn, mit deren Zügen und auf deren Schienen die Deportationen von Juden und anderen Verfolgten in den Tod erfolgte, und ab 1937 zusätzlich Verkehrsminister des Nazi-Regimes.

Die Umbenennung
ist Thema eines Buches

Die Geschichte der Umbenennung der kleinen Nebenstraße des Barmer Werth ist auch das Thema eines gerade im Nordpark-Verlag erschienen Buches „Unruhige Tage – Eine Wuppertaler Straße wird entnazifiziert“. Die Berliner Autorin Birgit Ohlsen hatte auch die Wuppertaler Auschwitz-Prozesse von 1986-1988 dokumentiert.

Sie protokolliert in diesem 88 Seiten starken kleinen Band die Abläufe der von der Gruppe „Zitrone“ geforderte Umbenennung, belegt die zu überwindenden Widerstände und die Zustimmung und zeichnet dabei gleichzeitig das Bild einer bewegten Zeit. Nämlich der des Nato-Doppelbeschlusses und der vom Bundestags mit den Stimmen von Union und FDP beschlossenen Stationierung von US-Raketen, gegen die es umfangreiche Demonstrationen gegeben hatte.

Eine Zeit, in der auch der Entschluss reifte, die Dorpmüller-Straße umzubenennen und einem jüdischen Bürger zu widmen, der seine Menschlichkeit und seinen Mut schließlich mit seinem Leben bezahlen musste.

Birgit Ohlsen schildert auch die Lebensgeschichte von Julius Dorpmüller, der als ausgewiesener Eisenbahnfachmann galt. Er verfasste Dienstanweisungen wie „Der Reichsbahnbeamte darf sich nicht mit Juden einlassen“ und ordnete per Erlass an, „dass Juden deutscher Staatsangehörigkeit und staatenlose Juden die Benutzung von Schlafwagen und Speisewagen untersagt wird“. Das stehe im Gegensatz zu den Behauptungen, dass Dorpmüller lediglich ein unpolitischer Fachminister gewesen sei.

Erschütternd lesen sich die Berichte über die Transporte von Menschen, denen erst Hab und Gut, dann die Freiheit, die Würde und zum Schluss in den Konzentrationslagern das Leben gestohlen wurde. Das alles im Fachbereich des Julius Dorpmüller, der übrigens für seine Mitwirkung an den NS-Verbrechen nie zur Rechenschaft gezogen wurde und 1945 starb.

Protokollierung der Umstände nimmt viel Raum ein

Von dem Arzt und Humanisten Eugen Rappoport ist bekannt, dass er sich unter anderem der aus dem Konzentrationslager Kemna, dem ersten deutschen KZ überhaupt, entlassenen Gefangenen und Gefolterten annahm, sie versorgte und heilte. Ab 1938 wurde allen jüdischen Ärzten die Führung des Titels „Dr. med“. verboten, und sie durften sich nur noch „Krankenbehandler“ nennen.

Eugen Rappoport lehnte es ab, sich von Kräften des Widerstandes außer Landes in Sicherheit bringen zu lassen, blieb in Wuppertal in seinem zum Judenhaus erklärten Heim in der Bleicherstraße und bezahlte seine Courage mit dem Tod, wie Birgit Ohlsen beschreibt.

Einen breiten Raum im Buch nimmt die Protokollierung der Umstände ein, die zur Änderung des Straßennamens führten, die behördliche Anordnung, die heimlich ausgetauschten Dorpmüller-Schilder umgehend zurückzugeben, die Strafandrohung und schließlich die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft.

Hier greift die Autorin auf die umfangreiche Berichterstattung vornehmlich in der WZ zurück. Berichtet auch, dass es ursprünglich die Wolkenburg in Elberfeld war, die 1939 in Dorpmüller-Straße umbenannt worden war, dann aber wieder ihren den Wuppertaler Bürgern bekannten Namen Wolkenburg erhielt.

Mit einem Gang durch die kleine Gasse, die den Namen des großen Wuppertaler Sohnes Eugen Rappoport trägt, verabschiedet sich Birgit Ohlsen von Wuppertal, dem sie ein lesenswertes Stück Stadtgeschichte gewidmet hat.

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