„Diese Jugendlichen sind tickende Zeitbomben“

Gewalt: Grundlos prügelten und traten drei Männer (20-22) auf einen 21-Jährigen ein. Warum, das konnten sie vor Gericht nicht erklären.

Wuppertal. "Tickende Zeitbomben", so nennt das Gericht die drei Heranwachsenden. Völlig grundlos und ohne jede Vorwarnung haben sie im Mai letzten Jahres auf einen 21-Jährigen eingeprügelt und getreten und erst aufgehört, als die Polizei kam. Eine Erklärung dafür haben sie nicht. Gedanken scheint sich keiner der drei Angeklagten im Alter zwischen 20 bis 22 Jahren vor dieser Gerichtsverhandlung gemacht zu haben. Dabei wiegen die Vorwürfe schwer. Die Anklage spricht von schwerer Körperverletzung. Mit voller Wucht sollen die jungen Männer auf den Kopf des 21-Jährigen eingetreten haben.

Es war der 24. Mai 2008 als die drei Angeklagten vor dem Elberfelder Rathaus auf eine Gruppe anderer junger Menschen aus Velbert trafen. Sie hatte die Wuppertaler angesprochen und nach einer guten Kneipe gefragt. Man plauderte. Alles war friedlich, beteuern alle Beteiligten immer wieder vor Gericht. Der 21-jährige Velberter, der an jenem Abend betrunken war, hatte sich mit seinem Kumpel aus Spaß "gekabbelt", auf dem Boden gewälzt. Doch plötzlich habe man sich von ihm bedroht gefühlt, sagt der 20-jährige Angeklagte. Dann ging alles ganz schnell. Der 21-Jährige ging zu Boden, und die drei Wuppertaler traten immer wieder auf ihn ein. Gezielt, auf den Kopf.

"Ich habe mich nicht wiedererkannt", sagt einer der Angeklagten und spricht von einem Filmriss. Sein Kumpel sagt: "Ich habe einfach auf ihn eingetreten." Es folgt immer wieder die gleiche Frage: Warum? Warum wird aus einer friedlichen Unterhaltung plötzlich eine aggressive Prügelei? Schweigen. Die drei jungen Männer schauen zu Boden und schweigen. Keiner kann das erklären. Das erscheint dem Gericht um so erstaunlicher, dass alle drei aus sozial geordneten Verhältnissen kommen. Sie besuchen das Gymnasium, machen eine Ausbildung. Ein Rätsel.

Das ist es, was Staatsanwaltschaft und Gericht Sorge bereitet. "Wenn Sie nicht wissen, warum das passiert ist, dann kann es jederzeit wieder passieren", sagt Jugendrichterin Andrea Sauter-Glücklich. "Dann kommt einer daher, der Ihnen nicht passt, an dem Sie Ihr Mütchen kühlen wollen." Schweigen.

Man sieht sich die Fotos von den Verletzungen des Opfers an. Blaue Augen, aufgeplatzte Lippe, blaue Flecke am ganzen Körper. Eine Woche war der 21-Jährige im Krankenhaus, zwei Wochen krank geschrieben. Ein Zeuge sagt: "Die haben Fußball mit seinem Kopf gespielt."

Die Angeklagten verziehen keine Miene, wirken völlig unbeteiligt. Auch, als der 21-Jährige selbst von dem Abend berichtet. "Ich habe irgendwann nicht mal mehr Schmerzen empfunden", sagt das Opfer, der bei allem großes Glück gehabt hat, keine schwereren Verletzungen davongetragen zu haben. "Dumm gelaufen, tut mir leid", tragen die Drei ihre Entschuldigungen vor. Das war’s.

Als die Richterin das Urteil verkündet, versucht sie den Angeklagten noch einmal ins Gewissen zu reden. "Ich mache diesen Beruf nun seit Jahren, habe oft mit Schlägereien unter Jugendlichen zu tun, oft auch aus nichtigem Anlass. Aber selten waren diese Schlägereien von solcher Brutalität geprägt." Erschreckende sei es, dass es gar keinen Anlass gegeben habe, so die Richterin. "Aber das Beunruhigendste, was zurück bleibt, ist, dass Sie selbst keine Ahnung haben, warum und sich keinerlei Gedanken gemacht haben.

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