Diese Bilder kann nur einer entschlüsseln

James Rogers hat eine Wand in einer Ausstellungshalle des Skulpturenparks gestaltet.

Diese Bilder kann nur einer entschlüsseln
Foto: Stefan Fries

Wer sich in seine Bilder-Welt begibt, droht sich darin zu verlieren. Entweder weil er im Meer seiner Punkte untergeht oder weil er versucht, das Muster zu entschlüsseln, nach dem sie auf die (Lein-)Wand aufgebracht wurden. Für James Rogers ist es ein „großer Spaß zu sehen, wie die Leute Stunden damit verbringen, mein System zu knacken. Aber es hat noch niemand geschafft“, lächelt der gebürtige Brite und Wahl-Wuppertaler. Ab sofort können sich die Besucher des Skulpturenparks Waldfrieden darin versuchen. Oder sich auch nur in den Anblick der wuchtigen Wand in der unteren Ausstellungshalle vertiefen. Bis 7. Oktober haben sie dazu die Möglichkeit, dann werden die bunten, mehrere Zentimeter kleinen Punkte wieder entfernt.

James Rogers

Natürlich malt der 1935 in London geborene Rogers nicht nur Punktbilder. Aber er war der erste — bevor ein Damien Hirst, mit dem er gerne verwechselt werde, sie für sich entdeckte. Begonnen habe er schon 1968. Beeinflusst durch die Minimalisten aus den USA, aber nicht in dem Sinne, dass er ihrer klaren und reduzierten Bildsprache bewusst folgte. Nein, es sei einfach passiert, dass er zum Punkt gefunden habe. Für ihn die perfekte wie einfache geometrische Form ohne Ecken und Kanten. Sie wurde Basis seiner bekanntesten Serie, zu der er nun mit einem temporären Werk im Skulpturenpark zurückkehrt. Er entwickelte ein mathematisches System, nachdem er die exakt gleich großen Punkte so auf der Bildfläche anordnet, dass er jederzeit in die gleichmäßige Bildarchitektur eingreifen könne. Das dahinter stehende System sei einfach, „aber ich erkläre es nicht“, lächelt er verschmitzt. Nicht weil er Angst vor Nachahmung habe, sondern weil „Kunstwerke eine geheimnisvolle Dimension“ brauchen.

Sechs Monate hat er sich auf das aktuelle Kunstwerk vorbereitet, das er schließlich in sieben Tagen an der 15,75 Meter breiten und 6,20 Meter hohen, weiß verputzten Wand der Halle anbracht. Anbrachte, weil er die Punkte zuvor auf Aquarellpapier in den Primärfarben möglichst streifenfrei malte und dort mit einem Locheisen ausstanzte. Die Punkte dann mit zweiseitiger Klebefolie auf der Wand festmachte. In gleichmäßigem Abstand. Zur Hilfe nahm er nur ein Lot, auf dem er zuvor die Abstände markiert hatte, und das er von oben an der Wand herunterhängen ließ. Eine zeitaufwendige, meditative, keinesfalls langweilige Arbeit, die in luftiger Höhe durchaus mit großer Vorsicht einherging. „Ich passe schon auf“, beruhigt Rogers.

Tony Cragg kennt der 83-Jährige, der seit 1988 in Wuppertal lebt, aus seiner Londoner Zeit. Von 1966 bis 1978 unterrichtete er an der Wimbledon School of Art, Cragg zählte zu seinen Studenten. „Drei Jahre lang. Damals entstanden Werke, die heute das Von der Heydt-Museum hat.“ Später, in Wuppertal arbeitete Rogers zwölf Jahre im Atelier des mittlerweile berühmt gewordenen Bildhauers. Stellt nun in dessen Skulputrenpark aus. Sein Atelier hat er im Atelierhaus Ulle Hees an der Friedrich-Engels-Allee.

Stets stehen Bild-Format, Punktgröße und Abstände in einer bestimmten Beziehung (die Rogers nicht verrät). Wer die Wand mit ihren etwa 1115 Punkten betrachtet, erkennt immer wieder andere Muster. Die Fläche leuchtet, gerät in Bewegung, strahlt Ruhe oder Dynamik aus — je nachdem, wie nah oder fern der Betrachter davor steht. Ob er die Gesamtheit, oder das Einzelne im Blick hat, sucht, zählt oder sich einfach fallenlässt. Vielleicht sogar ein meditatives Erlebnis hat — Rogers würde es freuen.

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