Offen gesagt Die Zeit der Diplomaten

Das Tischtuch zwischen Remscheid und Wuppertal ist zerschnitten. Nun kommt die Zeit der Profis. Es geht darum, zwei ungleiche Teile so zusammenzuführen, dass ein homogenes Bild entsteht. Remscheid will ein Schnäppchenparadies für Markentextilien bauen.

Das wollte Wuppertal auch einmal. Daraus hat sich ergeben, dass die eine Stadt aus Sorge um das eigene Projekt beziehungsweise um den eigenen Einzelhandel gegen die andere klagt - und umgekehrt.

Inzwischen sind Wuppertals Outlet-Pläne gescheitert. Die ehemalige Bundesbahndirektion scheint sich für so einen Konsumtempel nicht zu eignen, vielleicht hat es auch an Glück und Geschick gefehlt. Auf jeden Fall sind Remscheids Träume noch aktuell. Aber Wuppertal lässt seine Klage dagegen nicht fallen, entgegen bisheriger Ankündigungen, wider Erwarten, aber nicht ohne guten Grund.

Zweifellos würde sich ein Outlet-Center in Remscheid-Lennep nachteilig auf den Textil- und Sportartikeleinzelhandel Wuppertals auswirken. Denn diese Sortimente sind die Stärke solcher Einkaufsparadiese. Deshalb ist die Frage wichtig, auf wie viel Fläche derlei Artikel angeboten werden. Je breiter die Auswahl, desto größer die Nachfrage. Und wer in Remscheid eine Turnhose mit drei Streifen kauft, der kauft in Wuppertal sicher keine zweite. Jeder kann seinen Euro schließlich nur einmal ausgeben.

Aus diesem Grund ist es logisch, richtig und überhaupt nicht zu kritisieren, dass Wuppertals Oberbürgermeister Andreas Mucke und Stadtdirektor Johannes Slawig nun ein wenig auf die Bremse treten. Böse Zungen, vor allem in Remscheid, unterstellen den beiden Missgunst. Angesichts einer Geschichte im Städtedreieck, in der die Kommunen sich bisher das Schwarze unter den Nägeln nicht gegönnt haben, läge das sogar nahe. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass die Stadtspitze sich selbst in Sicherheit bringen will. Deshalb soll nun der Wuppertaler Einzelhandel das Zünglein an der Waage sein. Der wittert die Gefahr und bittet um Reduktion bestimmter Verkaufsflächen. Das ist verständlich. Weniger verständlich ist die burschikose Reaktion von Remscheids Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz darauf. Wäre die Situation umgekehrt, zöge er sicher für den Einzelhandel in Remscheid zu Felde. Das zumindest wäre seine Aufgabe.

Jetzt ist die Lage ziemlich verfahren. Wenn alle Seiten auf ihren Positionen beharren, dann wird Remscheid in 100 Jahren noch kein Outlet-Center gebaut haben. Das aber kann auch nicht das Ziel Wuppertals sein. Denn niemandem im Bergischen Land nutzt es, wenn die Kaufkraft weiter nach Düsseldorf oder ins Outlet-Center von Roermond abfließt.

Also schlägt jetzt die Stunde der Diplomaten. Die Aufgabe ist, zwischen den Einzelhändlern in Elberfeld sowie Barmen und dem Betreiber des geplanten Schnäppchenparadieses in Lennep einen Kompromiss zu finden. Vielversprechende Ansätze sind da. Wuppertal soll von den im Outlet-Center entstehenden Stellen profitieren, außerdem soll im neuen Center auf die touristischen Attraktionen Wuppertals hingewiesen werden. Das ist ein guter Anfang. Aber es reicht noch nicht. Denn was hat Wuppertal von ein paar Beschäftigten und ein paar Touristen mehr, wenn an Wall und Werth kein Textileinzelhandel überlebt? Nichts außer zwei toten Innenstädten.

Dennoch steht es Wuppertal nicht zu, deshalb ein Millionen-Projekt in Remscheid zu zerstören. Eine Stadt kann ihren Einzelhandel nicht grundsätzlich vor Konkurrenz schützen. Das muss der durch gute Qualität und Dienstleistung auf hohem Niveau schon selbst tun. Eine Stadt kann und muss aber darauf bedacht sein, dass die nahe Konkurrenz für den lokalen Einzelhandel nicht übermächtig ist. Genau das ist aus Sicht der Wuppertaler Händler aber der Fall, wenn die Planungen in Lennep nicht geändert werden.

Wuppertals und Remscheids Oberbürgermeister haben an dieser Stelle beschlossen, die Arme zu verschränken und sich schweigend anzugiften. Deshalb sind nun die Besonnenen unter den Akteuren gefragt, konstruktive Verhandlungen aufzunehmen. Wer da mit wem sprechen könnte, ist derzeit freilich unklar. Sicher ist nur, wer das nicht kann. Die Bergische Industrie- und Handelskammer und der Bergische Einzelhandelsverband haben sich mit ihren kurzsichtigen Parteinahmen für das Projekt in Remscheid auf lange Zeit für eine solche Aufgabe disqualifiziert. Jetzt braucht es wie gesagt Profis. Denn gelingt der Konsens nicht und wird das Center in Lennep wegen Wuppertals derzeit noch berechtigter Bedenken nicht gebaut, dann braucht im Bergischen Städtedreieck niemand mehr über Kooperationen nachzudenken.

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