Wuppertal Die Zahl der Abschiebungen steigt

Jetzt müssen viele Flüchtlinge, deren Asylantrag bereits 2015/2016 abgelehnt wurde, das Land verlassen. Im Wuppertaler Haus der Integration wird auf eine freiwillige Rückkehr gesetzt.

Wuppertal: Die Zahl der Abschiebungen steigt
Foto: Stefan Fries

Im Jahr 2017 hat die Stadt im Auftrag des Bundes 50 Abschiebungen durchgeführt. 2016 waren es nach Angaben des Integrationsressorts 40. Insgesamt verließen im vergangenen Jahr allerdings 250 Menschen mit abgelehntem Asylantrag das Tal — vier von fünf jedoch in Eigenregie — in Abstimmung mit der Stadt.

An dieser hohen Quote der „freiwilligen“ Rückkehrer arbeitet die Stadt im Haus der Integration an der Friedrich-Engels-Allee 28. Das Wort „Abschiebung“ ist in den neuen hellen Räumen, die Zuwanderungsressort, Jobcenter, Integrationszentrum und Integration Point der Agentur für Arbeit unter einem Dach bündeln, nicht zu finden. Dafür beschäftigen sich städtische Mitarbeiter im Bereich E des Erdgeschosses mit dem Thema „Rückkehrmanagement“.

Die Stadt Wuppertal hält an ihrer jahrelang erprobten Strategie fest und versucht, die erzwungene Abschiebung mit städtischen Mitarbeitern und Polizei vor der Haustür möglichst zu vermeiden. „Wir haben in der Stadt eine Willkommenskultur. Und ich scheue mich nicht, das Wort auch 2018 noch in den Mund zu nehmen“, sagt Jürgen Lemmer, Leiter des Ressorts Zuwanderung und Integration. Ein weiterer Nebeneffekt, den sich Lemmer erhofft: Migranten ohne Aussicht auf eine Bleibeperspektive sollen möglichst schnell und ohne viel weitere Bürokratie das Land verlassen.

Das könnte die Zahl der Geduldeten in Wuppertal senken. Das sind aktuell rund 1300 Menschen, deren Asylantrag vom Bundesamt für Migration bereits abgelehnt wurde. Doch in Lemmers Erfahrung ist damit in „nahezu 100 Prozent der Fälle“ der Aufenthalt in Deutschland nicht beendet. Die Betroffenen schöpften weitere Möglichkeiten aus, um in Deutschland Asyl zu bekommen. Sie klagen gegen den Bescheid, wenden sich an die Härtefallkommission sowie den Petitionsausschuss des Landes oder wollen eine Aufenthaltsverlängerung aus humanitären Gründen erwirken. Wenn diese ganzen Mittel ausgeschöpft werden, so Lemmer, dauert das ganze Verfahren „drei Jahre Minimum“.

Das erklärt auch die steigenden Abschiebezahlen. Jetzt werden diejenigen ausgewiesen, die um 2015/2016, als eine hohe Flüchtlingszahl in Wuppertal ankam, einen Ablehnungsbescheid erhalten haben und seitdem um Asyl kämpfen. Jeder Geduldete macht sich auch in der Stadtkasse bemerkbar. „Jeder Flüchtling kostet uns rund 1000 Euro im Jahr. Und da sind die Personalkosten noch nicht drin.“

Trotzdem spricht Lemmer sich für eine genaue Prüfung jedes Einzelfalls aus: „Wir wollen uns sicher sein, dass wir niemanden abschieben, der unseren Schutz gebraucht hätte.“ So reisen nach seiner Einschätzung von den 1300 Geduldeten im Schnitt 300 doch nicht aus, weil es gute Gründe gibt, sie nicht abzuweisen. Das können etwa schwere Krankheiten sein, die im Heimatland nicht heilbar sind, oder außergewöhnliche Integrationsleistungen. Ein Beispiel dafür sei eine junge Migrantin, der mit einem Schülerstipendium der Weg zum Abitur geebnet wurde und dies später mit einem 1er-Schnitt abgeschlossen hat. Lemmer findet: „Da wären wir als Gesellschaft ja bescheuert, wenn wir in solchen Fällen eine Abschiebung vollstrecken würden.“

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