Wuppertal „Die Wirtschaft auf grüne Füße stellen“

Jochen Stiebel vom Netzwerk Neue Effizienz erklärt, warum Nachhaltigkeit ein Standortfaktor ist.

Wuppertal: „Die Wirtschaft auf grüne Füße stellen“
Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Jochen Stiebel ist Geschäftsführer des Netzwerks Neue Effizienz. Es unterstützt die Wirtschaft der Region dabei, die oft zitierte Nachhaltigkeit konkret umzusetzen und aus weniger Ressourcen und Energie mehr Produkte und Dienstleistungen zu machen. Stiebel weiß, was der Schlüssel zu mehr Effizienz in der Wirtschaft ist.

Herr Stiebel, wie erzeugen Sie mehr Effizienz für die Wirtschaft?

Jochen Stiebel: Wir sind eine Schnittstelle — zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Viele Unternehmen möchten Energie und Rohstoffe einsparen, wissen aber nicht genau wie. Andererseits sucht die Wissenschaft, beispielsweise das Wuppertal Institut und die Bergische Universität, für ihre Forschung nach Kooperationspartnern aus der Praxis. Diese beiden Seiten bringen wir zusammen. Gemeinsam können die Partner dann neue Effizienz in der Wirtschaft der Region erzeugen.

Die Wirtschaft gibt nicht gerne unnötig viel Geld aus. Auch nicht für Energie und Rohstoffe. Kümmern sich die Unternehmen nicht von alleine um solche Fragen?

Stiebel: Natürlich tun sie das. Uns geht es aber um eine wirkliche Veränderung der Wirtschaftsweise. Unsere Art zu produzieren, hat sich über viele Jahrzehnte entwickelt und ist heute äußerst komplex. Da muss man schon genau hinschauen. Wenn bei Ihnen zuhause der Wasserhahn läuft, drehen sie ihn zu. Das machen Firmen auch. Tropft der Hahn dann aber immer noch, rufen sie wahrscheinlich einen Klempner. Einen Fachmann also, der sich um das Problem kümmert. Genau das machen wir für die Unternehmen der Region, nur das hier die Fragestellungen ungleich komplizierter sind.

Warum ist das alles so wichtig? Nachhaltigkeit scheint etabliert. Kaum eine Nachrichtensendung vergeht, ohne dass das Wort mindestens einmal fällt.

Stiebel: Das stimmt, Nachhaltigkeit ist zum politischen Pflichtprogramm geworden. Wir sind aber abseitig der großen Schlagworte an der Basis der Wirtschaft unterwegs. Wenn die EU beschließt, dass Unternehmen jedes Jahr zwei Prozent ihrer Energie einsparen sollen, dann müssen dafür die Firmen vor Ort ihre Produktionsweise verändern. Wir unterstützen sie im Auftrag unserer Gesellschafter dabei (Anm. d. Red.: Stadtwerke und Wirtschaftsförderungen der Städte Solingen, Remscheid, Wuppertal, Bergische Universität, lokale Unternehmen, Bergische Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft).

Ein riesiges Ziel, das mit einer Strategie angegangen werden will. Welche ist Ihre?

Stiebel: Der Schlüssel ist für uns, ein Bewusstsein für Effizienz bei Energie und Rohstoffen in den Köpfen der handelnden Menschen zu verankern. Nachhaltigkeit muss gleichberechtigtes Unternehmensziel neben Stückzahlen, Umsatz und Gewinn werden. Dafür veranstalten wir viele Workshops, Ideenwerkstätten und Kongresse, um Menschen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammenzubringen und die Notwendigkeit dazu zu vermitteln.

Warum ist der Neuen Effizienz das so wichtig?

Stiebel: Weil es um unsere Zukunft geht. Wem es zuerst gelingt, seine Wirtschaft auf grüne Füße zu stellen, hat einen riesigen Vorteil. Es herrscht schlicht Wettbewerb um den effizientesten Prozess und die verbrauchsärmste Produktion. Da wollen wir ganz vorne mitspielen. Es geht darum Verfahrensweisen und Technologien zu entwickeln, die dauerhaft ein Wirtschaften auf unserem Planeten ermöglichen. Denn machen wir uns nichts vor: wenn wir mit dem Umweltverbrauch so weiter machen, entziehen wir uns selber die Grundlage unseres wirtschaftlichen Handelns. Schauen sie sich die Erde vom Mond aus an: winzig und einsam - hier ist alles begrenzt.

Zurück in die Region und zur Strategie. Wie gestalten sie das vor Ort?

Stiebel: Wir führen in den Unternehmen im Rahmen standardisierter Programme eine erste Analyse der Verbrauche durch. Die dabei identifizierten Potenziale und Möglichkeiten realisieren wir nicht selber, sondern finden Fachleute in der Wissenschaft, die die Fragestellung genau untersuchen. Daraus kann bei komplexen Sachverhalten auch durchaus ein öffentlich gefördertes Projekt werden.

Sie bemühen sich also auch um öffentliche Gelder für die Region?

Stiebel: Ja, Fördergelder erlauben es uns substanzielle Lösungen zu entwickeln. Im Ergebnis entsteht das neue Wissen, welches die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärkt. Gerade, wenn die Ergebnisse übertragbar sind. Haben wir einmal einen Weg gefunden, wie beispielsweise ein Werkzeughersteller fünf Prozent seiner Energie einsparen kann, können das andere Firmen der Branche genauso so machen. Das beschleunigt die nachhaltige Entwicklung der Region immens.

Gibt es da Beispiele?

Stiebel: Wir hoffen bald auf einen positiven Förderbescheid für das O-Bus-Projekt in Solingen. Dabei soll untersucht werden, wie Batterie-Oberleitungs-Busse Teil eines dezentralen Energiespeichersystems für grünen Strom werden können. Ein Projekt, das alleine für die Stadt Solingen sicher weit schwieriger oder gar nicht zu realisieren wäre. Ist es erfolgreich, wovon wir überzeugt sind, entsteht auch viel Know-how rund um die Themen E-Mobilität und intelligentes Stromnetz zuerst in unserer Region. Richtig genutzt, wird das ein klarer Standortvorteil.

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