Die Trasse erwacht: Eine Zeitreise zu Dornröschens Geheimnissen

Auftakt zur WZ-Sommer-Serie: Ein Ausflug zu den wichtigsten Bahnhöfen der Rheinischen Strecke gibt Einblicke in Wuppertals Vergangenheit.

Wuppertal. Langsam schlängelt sich der Reisebus durch kleine Straßen in Wichlinghausen. Gleichsam am Ende der Welt, so scheint es den Fahrgästen, hält er an und öffnet seine Türen. Die Passagiere steigen aus, klettern durch ein Loch im Zaun.

Ein seltsames Bild für einen Außenstehenden - für die kleine Gruppe, die mit Stadtführer Frank Khan unterwegs ist, ein echtes Erlebnis. Sie unternimmt eine Rundfahrt zu den Bahnhöfen der Nordbahntrasse - auf den Spuren einer Verkehrsstrecke, die ein jahrelanger Dornröschenschlaf an den Rand Wuppertals gedrängt hat.

Erste Station: Bahnhof Wichlinghausen. 2007 wurde er zum Testobjekt. Hier entstanden die ersten Teile der asphaltierten Nordbahntrasse, wurden Schienen entfernt und neue Wege gebaut, wo bis 1991 vor allem Güterzüge fuhren und unter anderem Weltfirmen wie die Waschmittelfabrik Luhns belieferten.

Sehr wenige Relikte aus dieser Zeit sind noch am Bahnhof Heubruch zu sehen. Das kleine Gebäude, als Bahnhof nicht mehr zu erkennen, verfällt langsam. Doch Frank Khan haucht Gleisen und Gemäuern wieder Leben ein, berichtet von den vielen Unternehmen, die damals an der Strecke angesiedelt waren - etwa die Genossenschaft "Vorwärts", in deren Keller ein Gleisanschluss von der Trasse aus führte.

Die Mitfahrer hören gebannt zu - unter ihnen sind auch die Brüder Daniel (12) und Julius (8) Kistner. Sie sind von ihrem Opa zur Tour eingeladen worden: "Das ist für uns total interessant, weil Opa hier früher selbst gearbeitet hat und regelmäßig mit der Bahn gefahren ist," erzählen die beiden und machen sich gemeinsam mit den anderen Teilnehmern auf den Weg zurück zum Bus.

Die älteren unter den 35Mitfahrern tauschen Erinnerungen aus: "Ja, das weiß ich auch noch, wie Mutter uns früher hierher mitgenommen hat, um Vater vor dem Bahnhof abzuholen," berichtet ein älterer Herr einem Weggefährten.

Die Tour geht weiter, führt über die schmalen Straßen am Rott Richtung Rudolfstraße und den Bahnhof Loh. Hier ist um die Nachmittagsstunde Hochbetrieb. Erwachsene auf Inline-Skates und Kinder auf Fahrrädern bewegen sich auf dem etwa zwei Kilometer langen Stück der Trasse. Die Draisine ist heute im Dauereinsatz.

Auch Lutz Eßrich von der Wuppertal Bewegung nimmt an der Tour teil, erklärt die Strecke der Trasse in wenigen Sätzen: Sieben Tunnel, vier Viadukte, 33 Brücken und 200 Stützmauern - nackte Zahlen zur Nordbahntrasse, die beeindrucken. Die kleine Gruppe macht sich wieder auf den Weg. "Dann halten Sie jetzt bitte die Reisepässe bereit, der nächste Halt ist in Elberfeld," witzelt Khan und stimmt die bunte Gruppe fröhlich ein auf den nächsten Zwischenstopp.

Es sind an diesem Tag nicht nur die alt eingesessenen Wuppertaler, die bei der Tour ihre Stadt und die Geschichte wiederentdecken. Christof Hilgert ist zugezogen, kommt aus der Gegend um Düsseldorf: "Meine Frau und ich können uns keinen besseren Platz zum Leben vorstellen," sagt der Familienvater und lauscht mit seinem Sohn Max den Ausführungen zum Bahnhof Mirke. Von Elberfelds einstigem zweiten Hauptbahnhof geht es über den Ottenbrucher, Dorper und Varresbecker Bahnhof zurück nach Oberbarmen. Wuppertals Dornröschen hat nun ein paar Geheimnisse weniger.

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