Symbol der Krise? : Die Rolle des Klopapiers in einer weltweiten Krise
Wuppertal Das Ringen um Normalität nimmt in Zeiten von Corona zuweilen skurrile Formen an.
Wie kann es nur sein, dass das Klopapier zum Symbol der Krise geworden ist? „Mut zur Lücke“ möchte man den Mitmenschen zurufen, die bereits morgens um 7 Uhr anstehen, um ein nur vermeintlich knappes Gut käuflich zu erwerben. Doch dieser Mut zur Lücke ist bei vielen Zeitgenossen nicht stark ausgeprägt.
„Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.“ Dieses Zitat, das fälschlicherweise Marie Antoinette zugeordnet wird, könnte man auch auf die aktuelle Situation anwenden. Selbst wer gerade einmal kein Toilettenpapier im Haus haben sollte, kann dies mit etwas praktischer Fantasie und Tempotaschentüchern überstehen. Und nicht nur Händewaschen gehört zur Körperhygiene.
Doch das Problem der Hamsterkäufe liegt tiefer. Es geht ums Ganze. Das Ganze ist der Haushalt, der mit allen lebenswichtigen Dingen ausgestattet sein muss. Was lebenswichtig ist, definiert jeder für sich, aber in der Vorstellung vieler Menschen gehört zum großen Ganzen Toilettenpapier dazu. Nun gibt es Menschen, für die ist das Ganze wichtiger als die Summe aller Einzelteile. Deren inneres Gleichgewicht geht verloren, wenn ein Teil des Ganzen fehlt. Für manche Menschen ist die Lücke kein Problem. Die Lösung lässt sich auf Morgen verschieben oder auf den St. Nimmerleinstag. Vielen Artgenossen hilft der Glaube, dass sich Probleme von selbst lösen oder von anderen gelöst werden. Der Andere ist in einer Familie in der Regel die Frau.
Problematisch ist die unsichere Versorgungslage für Menschen, deren Welt nur als Ganzes funktioniert. Fehlt ein Teil des Ganzen, löst das Dissonanzen aus, die aufs Gemüt schlagen. Einziger Ausweg ist der Kauf fehlender Teile, um das Ganze wieder herzustellen. Klopapier ist allerdings eine Ware, die man nicht wie einen teuren Rotwein im Keller reifen lässt. Wer seinen Weinkeller gut bestückt hat, dessen Durst nach Ganzheitlichkeit ist erst einmal gestillt.
Der Verbrauch ist der Feind des optimal bestückten Haushalts
Bei besagten Rollen funktioniert das nicht. Ständig schrumpft der Vorrat. In einem Single-Haushalt lässt sich dieser Verbrauch besser kontrollieren und regulieren, aber wenn eine gesamte Familie zur Rolle greift, dann bedeutet das einen enormen Kontrollverlust des Einzelnen über die verfügbaren Ressourcen. Daraus gibt es nur einen Ausweg: Es werden Vorräte angeschafft.