Wuppertaler Meisterwerke Die Dynamik der Großstadt in farbenfrohen „Simultanvisionen“

Wuppertal · Von der Heydt-Museum zeigt das Werk von Umberto Boccioni.

Das Werk wurde 1975 für die Von der Heydt-Sammlung aus Mitteln der Von der Heydt-Stiftung mit einem Zuschuss des Landes Nordrhein-Westfalen erworben.

Das Werk wurde 1975 für die Von der Heydt-Sammlung aus Mitteln der Von der Heydt-Stiftung mit einem Zuschuss des Landes Nordrhein-Westfalen erworben.

Foto: Von der Heydt - Museum Wuppertal

Die Futuristen wollten die Vergangenheit abstreifen und nur die moderne Welt darstellen. Umberto Boccioni (1882-1916) gehörte 1910 nicht nur zu den Unterzeichnern des futuristischen Manifests, das in dieser Absicht zum Programm erklärt wurde. Der italienische Maler, Graphiker und Bildhauer gilt als herausragender Vertreter und einer der wichtigen Theoretiker des Futurismus. Die in Aufbruch und Bewegung begriffene Welt sollte mit allen Wahrnehmungsmöglichkeiten verdeutlicht werden, in Licht, Bewegung und Lärm.

Wie seine Mitstreiter war Boccioni ein Verehrer der Technik, der Geschwindigkeit und der Dynamik, wie sie ihm in den modernen Städten mit ihren Hochhäusern, den neuen Verkehrsmitteln und den Leuchtreklamen begegneten. Die Straße bildet in den Jahren 1911 und 1912 ein zentrales Thema in Boccionis Schaffen. In seinem Bild „Simultanvisionen“ durchdringen sich draußen und drinnen, zersplitterte Farb- und Flächenformen verdeutlichen die Dynamik der Großstadt, während Rhythmus und Lärm der Metropole sich in der simultanen Mehransichtigkeit der Gegenstände und Personen, festgehalten in unterschiedlichen Bewegungsmomenten, ausdrücken. Wahrscheinlich war auch dieses Gemälde in der ersten Ausstellung der Futuristen 1912 in Paris zu sehen.

Aufenthalte in Rom und in Paris, wohin Boccioni 1911 zog, ermöglichten dem Italiener schon früh eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Impressionismus, für dessen „schöne Farbe und Heiterkeit“ er aber nicht viel übrig hatte. Auch die Kunst der russischen Avantgarde befriedigte ihn nicht. Sein Interesse galt zunächst dem Divisionismus, einer Technik, bei der reine Farben in rasterartigen Punkten aufgetragen wurden. Ausschlaggebend war schließlich die Kunst Robert Delaunays und der Kubisten, deren Idee des simultanen Sehens, der gleichzeitigen Wahrnehmung verschiedener Ansichten, von nachhaltigem Einfluss für ihn wurde.

Für Boccioni war die Simultaneität jedoch nicht nur ein optisches Phänomen, sondern sie entsprach seiner Vorstellung von einer zeitlichen und räumlichen Durchdringung aller Objekte, die durch spiralförmige Zentren, Wellenkurven und diagonale Bewegungslinien, Lichteffekte und eine oft aggressive Farbigkeit gekennzeichnet ist. Nicht nur das Auge, sondern auch das Ohr, schließlich der ganze Körper des Betrachters sollten erfasst werden.

Davon kann man sich in unserer Ausstellung „Else Lasker-Schüler, ,Prinz Jussuf von Theben‘ und die Avantgarde“ überzeugen, denn darin ist das Werk noch bis 16. Februar zu sehen. Herwarth Walden, Else Lasker-Schülers zweiter Ehemann, zeigte Boccionis Werk im Rahmen einer Futuristen-Ausstellung im Jahr 1912 in seiner Berliner Galerie „Der Sturm“. Else Lasker-Schüler war begeistert von dem in den Bildern der Futuristen sich widerspiegelnden Geist der neuen Zeit. Unser Bild wurde 1975 für die Von der Heydt-Sammlung aus Mitteln der Von der Heydt-Stiftung mit einem Zuschuss des Landes Nordrhein-Westfalen erworben.

Das Von der Heydt-Museum hat dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr sowie donnerstags von 11 bis 20 Uhr geöffnet. Derzeit sind Ausstellungen zu Else Lasker Schüler (bis 16. Februar) und Oskar Schlemmer (23. Februar) zu sehen.

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