„Die Digitalisierung ist für uns auch ein Segen“

Niedrige Zinsen sind gut für Kunden, schlecht für Banken. Dem Vorstand der Wuppertaler Stadt-Sparkasse wachsen in der Niedrigzinsphase dennoch keine grauen Haare. Nähe macht krisenresistent, sagt er.

„Die Digitalisierung ist für uns auch ein Segen“
Foto: Gerhard Bartsch

Wuppertal. Die Bilanzsumme, also die Addition sämtlicher Posten auf beiden Seiten der Bilanz, hat die Grenze von sieben Milliarden Euro überschritten. Wuppertals Stadtsparkasse kennt eigentlich nur Wachstum. Wer sich mit Gunter Wölfges, Axel Jütz und Patrick Hahne unterhält, sitzt deshalb einem sehr entspannten Vorstand gegenüber. Die Stimmung ist fast schon euphorisch, auf jeden Fall aber optimistisch, ganz so, als gäbe es die Niedrigzinsphase in der Eurozone nicht. Es wirkt, als habe EZB-Chef Mario Draghi den Banken den Geldhahn nicht zugedreht und verlange seinerseits keine Strafzinsen für Geld, dass Banken bei der Europäischen Zentralbank parken, statt es zu verleihen. Wo andere Kreditinstitute darauf mit Stellenabbau und Umstrukturierung reagieren, ist die Chefetage der Stadtsparkasse bemerkenswert gelassen.

Macht es Ihnen gar nichts aus, dass Ihr Geschäftsmodell nun schon seit Jahren torpediert wird?

Wölfges: Wir sind davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber niedrigere Zinsen bedeuten für Banken doch geringere Einnahmen.

Wirkt sich das auf die Wuppertaler Stadtsparkasse nicht aus?

Jütz: Wir haben unseren Produktabsatz in den vergangenen Jahren stetig steigern können. Also gleichen Sie die Einbußen durch die niedrigeren Zinsen aus?

Wölfges: Wir können sicher sagen, dass wir in dem für uns überschaubaren Zeitrahmen auf jeden Fall gut über Wasser bleiben.

Und wie machen Sie das, während andere Unternehmen beispielsweise in der Automobilbranche auf Einnahmerückgänge letztlich mit Entlassungen reagieren?

Jütz: Wir haben in den vergangenen Jahren auch Personal abgebaut, allerdings durch Nutzung der natürlichen Fluktuation. Niemand hat darunter leiden müssen. Für uns ist Digitalisierung auch vor diesem Hintergrund ein Segen.

Inwiefern?

Hahne: Früher sind Sie in die Filiale gegangen, da hat Ihnen jemand Ihre Kontoauszüge ausgedruckt und im Briefumschlag überreicht. Heute bekommen Sie die Auszüge digital, schnell und bequem nach Hause. Dennoch beschäftigen Sie gut 1300 Menschen, unterhalten 35 Filialen.

Wozu? Es gibt auch Banken, die nur im Internet sind.

Wölfges: Aber das ist für eine Sparkasse kein Modell. Ganz im Gegenteil. Für unser Konzept brauchen wir die Filialen und wir brauchen unsere Mitarbeiter.

Was ist das für ein Konzept?

Wölfges: Wir wollen möglichst viele Menschen und möglichst viele Unternehmen bestmöglich versorgen, damit sie ihre Ziele erreichen können. Und wir wollen unseren Nutzen für die Gemeinschaft in Wuppertal steigern. Je mehr Menschen wir bestmöglich versorgen, desto mehr können wir für die Gemeinschaft tun. Wir geben zurück, was wir erwirtschaften und nicht für unser Eigenkapital benötigen.

Und wie erwirtschaften Sie nun angesichts historisch niedriger Zinsen?

Jütz: Wir haben 250 000 Kunden in Wuppertal. Wir wachsen.

Wodurch?

Wölfges: Einerseits durch unseren digitalen Marktplatz, die Treuwelt. Hier führen wir unsere Kunden zusammen. Unternehmen können auf dem digitalen Marktplatz ihre Dienstleistungen und Waren anbieten, Sparkassenkunden haben einen Vorteil, wenn sie die Angebote nachfragen. Andererseits durch Gut für Wuppertal. Über diese Plattform haben wir mit der WZ als Medienpartner in weniger als anderthalb Jahren nun schon mehr als 660 000 Euro für Projekte in Wuppertal sammeln können. Das alles geschieht digital.

Was haben die Filialen damit zu tun?

Hahne: Der Kern des Geschäftes mit Finanzdienstleistung sind Vertrauen und Begegnung. Wir haben in Wuppertal 500 Beratungen in den Filialen. Wir brauchen diese Orte, um den Menschen begegnen zu können.

Aber beispielsweise Baufinanzierung gibt es heute auch billiger im Internet.

Hahne: Ein Haus zu bauen, bedeutet viel mehr als einen Kredit aufzunehmen. Da geht es um Sicherheit, um Vertrauen, um einen Partner, der auch in vielleicht schwierigeren Zeiten zur Seite steht. Kredite bekommen Sie tatsächlich teils billiger im Internet, aber das andere ist mindestens genauso wichtig.

Wölfges: Wenn die Leistung unterschiedlich ist, dann muss der Preis das auch sein. Die Kunden verstehen das. Wir sind jetzt im zweiten Jahr in Folge für das beste Girokonto im Vergleich der 20 größten Städte Deutschlands, so auch in Wuppertal ausgezeichnet worden. Und wissen Sie, welches das ist?

Nein.

Wölfges: Unser auf den ersten Blick Teuerstes, das Premium Konto. Offenbar stimmt die Leistung, die mit dem Preis von 12,90 Euro verbunden ist.

Aber sind angesichts fortschreitender Digitalisierung Bankkonten mit Filialanschluss überhaupt noch zeitgemäß? Glauben Sie, dass ein heute 20-Jähriger noch in die Sparkasse geht?

Wölfges: Wir haben in Wuppertal Kontakt zu 75 Prozent der Jugendlichen. Sehr viele haben ein Sparkonto bei uns. Also bekannt sind wir auch bei den jüngeren Wuppertalern.

Jütz: Wir möchten möglichst jeden Kunden erreichen, ihm seine Fragen beantworten und ihn von unserer Leistungsfähigkeit überzeugen. Wir haben die Fantasie, unsere Standorte zu Marktplätzen umzubauen, zu Orten der Begegnung.

Wie könnten diese Filialen aussehen?

Hahne: Darüber machen wir uns Gedanken. Was müssen wir dort anbieten, damit die Menschen zu uns kommen? Die Digitalisierung wird uns dabei helfen. Sie gibt unseren Beratern in jedem Fall die Zeit, das zu tun, wofür wie sie bestens ausgebildet haben: beraten.

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