Die Angst der Lehrer vor dem Amok-Alarm

Prävention mal anders: Wie die Polizei versucht, Wuppertaler Lehrkräften die Sorge vor dem Ernstfall zu nehmen.

Wuppertal. Erfurt, Emsdetten, Winnenden, Ansbach - die Orte bisheriger Amokläufe an Schulen in Deutschland haften im kollektiven Bewusstsein. Beim Studientag "Wenn der Notfall eintritt" in der Rudolf-Steiner-Schule diskutierten 60 Lehrer aus Wuppertal auf Einladung des Evangelischen Schulreferats die Frage, wie sie sich auf einen möglichen Notfall einstellen können - 15 von ihnen im Workshop mit dem Titel "Verhalten bei Amoklauf".

Zu Beginn zeigten die Polizei-Hauptkommissare Helmut Niesczeri-Adam und Mayk Flärmig, die den Workshop leiteten, ein Internet-Video vom Amoklauf an der Columbine Highschool in Littleton (USA). Vor zehn Jahren erschossen dort zwei Schüler 13 Menschen. Die Dokumentation hinterließ Pädagogen unter Schock. Als erste konnte Ellen Voigt von Gymnasium Bayreuther Straße ihre Gefühle in Worte fassen: "Ich spüre meine Angst. Wie soll ich mit der Verantwortung für 30 Schüler umgehen, wenn ich in einer solchen Situation selbst nur noch Angst habe?"

Den wichtigsten Schritt für richtiges Verhalten habe sie schon getan, beruhigte Mayk Flärmig: "Wer sich vorher mit dem Thema auseinandersetzt, kann in der Schocksituation viel schneller reagieren." Die Auseinandersetzung mit dem Thema "Amoklauf" scheint überfällig. So wiesen die Polizisten zum Beispiel auf die Warnsysteme an einigen Wuppertaler Schulen hin: Dort haben Lehrer einen geheimen Code ausgemacht, der im Fall eines Amoklaufes über Lautsprecher durchgegeben werden soll. "Warum geheim?", fragte Niesczeri-Adam. "Der Täter weiß sowieso, dass ein Amoklauf stattfindet. Warum sollten die Schüler das nicht wissen?"

Auch der Feuer-Alarm sei kein probates Warnmittel. Das beste Verhalten im Amok-Fall sei es, sich im Klassenraum zu verbarrikadieren - ein Feueralarm verursache das Gegenteil. "So treiben wir dem Täter seine Opfer in die Arme." Außerdem vereinfache es die Arbeit der Polizei, die bei überfüllten Fluren und Gängen nur schwer den Täter ausfindig machen könne.

Kontrovers diskutiert wurden auch die Gründe für solch unvorstellbare Taten. Besonders beim Thema "Killerspiele" gehen die Meinungen weit auseinander: Einige Lehrer sahen die Computerspiele als Grund für die Verrohung von Jugendlichen - Polizist Mayk Flärmig verteidigt sie. Er selbst spiele Computerspiele im Internet - als Mittel, um Aggressionen abzubauen.

Eine Erfahrung, die Michael Schnorr teilt. Er ist Mathematik-Lehrer und Sicherheitsbeauftragter an der Rudolf-Steiner-Schule. "Ich interessiere mich dafür, was meine Schüler in ihrer Freizeit machen. Deshalb habe ich eine LAN-Party besucht", sagt er. Dabei habe er "keine kleinen Monster" sondern "tolle Schüler" erlebt, die einem elektronischen Sport nachgehen.

Das wichtigste Mittel gegen Amokläufe, da waren sich alle Lehrer im Workshop einig, sei ohnehin eins - die intensive, individuelle Auseinandersetzung mit ihren Schülern.

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