Die 1950er im Tal: Von Stars und Straßenbahnen

Max Schmeling und Gary Cooper kamen zu Besuch, Stromkosten waren noch kein Problem und die Stadt wuchs – so waren die 50er in Wuppertal.

Wuppertal. Wuppertal in den 50er Jahren - wie war diese Zeit, die Zeit des Wirtschaftswunders, des Wiederaufbaus, aber auch des Verdrängens der großen Kriegsverbrechen? Das erkundete in den vergangenen Wochen eine große Vortragsreihe unter Beteiligung von Historikern und Fachleuten, die viel Anklang fand. Und das wollte die WZ von ihren Lesern wissen. Die Resonanz war riesig - an dieser Stelle ganz herzlichen Dank für Ihre Fotos und Geschichten, die wir leider nicht alle berücksichtigen konnten.

Gerhard Arnold, aufgewachsen nahe der niederländischen Grenze, erinnert sich immer noch gern daran, wie beeindruckt er vom Wuppertal der 1950er Jahre war, wenn er seinen Vater auf geschäftlichen Reisen nach Elberfeld begleitete.

Die 50er also - wer sie in Wuppertal nicht erlebt hat, scheint eine spannende Zeit verpasst zu haben. Roswitha Erdmann, Jahrgang 1948, erinnert sich etwa nicht nur an glückliche Kindheits-Tage zwischen Rudi Schurickes Capri-Fischern und Kalle Blomquist, an das Rattern der Bergbahn auf dem Weg zum Toelleturm, an abenteuerliche Paternoster-Runden im Rathaus und Rollschuh-Laufen vor dem Opernhaus. Es gab auch Grenzen der Harmonie - so ließen die großen Jungs mit den Elvis-Tollen Rock ’n’ Roll aus dem Kofferradio plärren, während die Alten über Negermusik schimpften. Heute wissen wir: Der Widerstand war vergeblich der Siegeszug der Stars von jenseits des Atlantiks war nicht zu stoppen.

Die US-Amerikaner, gekommen als Besatzer und zu Verbündeten geworden, brachten aber nicht nur Elvis Presley und Co. ins Tal, sondern auch ein anderes, nicht minder zugkräftiges Kulturgut: die Coca-Cola. In Wuppertal ist der Siegeszug der braunen Brause untrennbar verbunden mit Leni Urbinger. 1953 errichtete die Remscheiderin auf dem Hahnerberg eine Abfüll-Fabrik, in der die US-Limonade fortan in die charakteristischen Flaschen gezogen wurde.

Die gläserne Anlage mit großem Schaufenster, das heutige Rigi-Kulm-Center, wurde zur stadtweiten Attraktion, wie auch Berichte des General-Anzeigers aus der damaligen Zeit beweisen - zumal Leni Urbinger auch die erste Cola-Werbung an den Stirnseiten der Schwebebahn platzierte und damit Stadtgespräch wurde. Auch Box-Legende Max Schmeling, Cola-Generalvertreter in Hamburg, schaute seinerzeit in der Abfüll-Fabrik auf dem Hahnerberg vorbei. Doch das war nicht die einzige Art und Weise, wie Leni Urbinger in der Stadt von sich reden machte: Sie amtierte mit ihrem Prinzen Ernst Wildförster auch als erste Karnevalsprinzessin Wuppertals nach dem Krieg.

Box-Legende Schmeling war aber nicht der einzige Star, der Glamour ins Tal brachte. Auch die Kino-Landschaft in Wuppertal pulsierte - und Brigitte Wülfing war eine von vielen jungen Frauen im Tal, die leidenschaftlich die Autogramme großer Leinwand-Helden von Ruth Leuwerik über Hubert von Meyerinck bis zu Lilian Harvey sammelte. Das größte Erlebnis hatte die Wuppertalerin jedoch, als kein Geringerer als Hollywood-Mime Gary Cooper zur Deutschland-Premiere seines Western-Klassikers "12 Uhr Mittags" höchstselbst nach Wuppertal kam.

Zitat aus einem Schulaufsatz einer damals 13-Jährigen, eingesandt von Karin Fichtel.

Dank der Bekanntschaft mit einem hiesigen Kino-Direktor schaffte es Wülfing zusammen mit einigen Freundinnen sogar, den großen Schauspieler persönlich zu treffen und ihn um ein Autogramm zu bitten - das sie heute noch mit vielen anderen in ihrem Album verwahrt, immer wieder bestaunt von ihren Kindern und Enkelkindern. Besonderes Zeitdokument: Wülfing besitzt neben dem Autogramm auch noch einen Schnappschuss von Gary Coopers Besuch im Wuppertaler Zoo! Können Sie sich heute George Clooney in gleicher Absicht vorstellen? Wie die Zeiten sich doch ändern!

Es gab in den 1950ern allerdings auch andere Stars in der Stadt, die nicht erst aus Hamburg oder aus Amerika importiert werden mussten. So erinnert sich Jutta Dicke noch heute gern an ihre Schulzeit an der Realschule Hohenstein. "Nichts war an Schultagen spannender", schreibt sie der WZ, "als der Schulschluss am Sammelpunkt Alter Markt." Dort liefen die Straßenbahnlinien zusammen, die die Schülerinnen nach Hause brachten.

Und da gab es einen Mann, der am Knotenpunkt alle Fäden in der Hand hatte: Erich Hetfeld. Der Herr Polizeibeamte Hetfeld regelte in seiner "Tonne" nämlich mitten auf der Kreuzung den Verkehr - "ein Bild von einem kraftstrotzenden Mann", erinnert sich Dicke, nicht nur Respektsperson für Schüler und Verkehrsteilnehmer, sondern auch Fixpunkt der Wasserball-Meistermannschaft des SSF Barmen. Dickes Schulklasse allein verhalf Hetfeld seinerzeit zu einem Spitzenplatz, als eine Zeitung die freundlichste Person des Wuppertaler öffentlichen Lebens suchte. Und doch: Erich hatte Konkurrenz. Und das war Egon, ein unverschämt gutaussehender, schwarzäugiger Straßenbahnfahrer am Alten Markt der 1950er. Noch einmal Jutta Dicke: "Wenn wir eine Bahn mit dem ,schönen Egon’ erwischten, war der Tag gerettet."

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