Despression: Wenn im Alter die tiefe Traurigkeit kommt

Depressionen treten oft auch bei Senioren auf. Einsamkeit und körperliche Leiden erhöhen das Risiko.

Wuppertal. Die ältere Dame wohnte schon seit längerer Zeit im Seniorenheim. Doch diese Auffälligkeiten hatte sie noch nie gezeigt: Sie sprach nicht mehr viel, zog sich zurück und wollte den ganzen Tag am liebsten nur im Bett liegen und schlafen. Den Betreuern fiel das veränderte Verhalten auf. Sie besprachen den Fall und holten sich medizinischen Rat dazu. Das Ergebnis: Die Frau litt unter Depressionen.

Etwa vier Millionen Menschen, schätzt das Kompentenznetz Depression/Suizidalität, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, leiden in Deutschland an depressiven Störungen. In den vergangenen Jahren ist die Erkrankung in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Über eine Gruppe von Betroffenen wird aber nur selten gesprochen: die älteren Menschen.

Denn an Depressionen leiden keineswegs nur junge Menschen oder solche, die in der Mitte ihres Lebens stehen und beispielsweise mit den Belastungen im Job nicht mehr klar kommen. Die Krankheit trifft auch die, die sich schon längst im Ruhestand befinden. „Die Zahlen derer, die im Alter an Depressionen leiden, wurden früher unterschätzt“, sagt Professor Nikolaus Michael, leitender Arzt des Gerontopsychiatrischen Zentrums in Wuppertal, das sich auf die Behandlung von älteren Menschen mit psychischen Erkrankungen spezialisiert hat. Einen prozentualen Anstieg der Erkrankungen bei Menschen über 60 kann Michael zwar nicht feststellen, „aber quantitativ gesehen gibt es natürlich mehr Erkrankte, weil wir heute viel mehr ältere Menschen haben“, sagt der Arzt.

Prof. Nikolaus Michael, Gerontopsychiatrisches Zentrum

Laut Michael sind es neben körperlichen Erkrankungen vor allem die psychosozialen Verhältnisse, die das Risiko für eine Depression bei Älteren erhöhen. „Die Einsamkeit ist ein Problem für ältere Menschen. Manche von ihnen haben zum Beispiel keine Kinder, die sich um sie kümmern. Früher haben die Menschen auch oft in einer festen Dorfgemeinschaft gelebt. Das hat sich heute verändert“, sagt Michael.

Hinzu kommt, dass es besonders älteren Menschen oft schwerfällt, sich ihre Krankheit einzugestehen — und sie psychiatrisch behandeln zu lassen. „Zu ihrem Hausarzt haben die Menschen in der Regel mehr Vertrauen. Manchmal kommen aber auch Angehörige zu uns, weil sich der Vater oder die Mutter so verändert hat“, sagt Michael. Der Arzt schätzt, dass es unter den Erkrankten eine hohe Dunkelziffer gibt, weil Depressionen bei älteren Menschen häufig nicht erkannt werden — so zum Beispiel in Altenheimen.

Das kann Hildegard Schönnenbeck, Qualitätsmanagerin für die städtischen Altenheime in Wuppertal, für die Einrichtungen der Stadt nicht bestätigen. „Wenn dem Pflegepersonal etwas auffällt, gibt es eine Fallbesprechung. Wenn nötig, ziehen wir dann einen Psychiater oder Neurologen hinzu.“ Wichtig sei es dann aber, so Hildegard Schönnenbeck, die Patienten nicht mit Medikamenten vollzudröhnen. „Die älteren Menschen dürfen traurig sein, wenn sie es sind“, sagt die Qualitätsmanagerin. „Wir können diese Traurigkeit aber von Depressionen unterscheiden“, fügt sie hinzu.

Laut Michael können Depressionen bei älteren Menschen genauso gut behandelt werden wie bei jüngeren: „Die Prognose für eine Genesung wird mit dem Alter nicht schlechter“, sagt der Arzt. „Es kommt aber vor, dass der Aufwand einer Behandlung angesichts des Alters gescheut wird.“

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