Kolumne „Kommt Kinder, ich gebe einen aus“

Der ultimative satirische Jahresrückblick von WZ-Kolumnist Uwe Becker.

 Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Foto: Joachim Schmitz

Nun, wo sämtliche Jahresrückblicke von ARD, ZDF und all den anderen Fernsehsendern über die Bildschirme geflattert sind, kann ich Ihnen nun endlich den amtlichen und ultimativen Jahresrückblick 2018 für Wuppertal präsentieren. Bei meiner Rückschau ist selbstverständlich kein Platz für Ereignisse, die überregional für Schlagzeilen sorgten. Ich thematisiere hier weder Angelique Kerbers Wimbledon-Sieg, noch die erste olympische Eiskunstlauf-Goldmedaille für Deutschland seit 66 Jahren von Aljona Savchenko und Bruno Massot. Beide Sportler wurden allerdings vorher eingebürgert, Savchenko kommt ursprünglich aus der Ukraine und Massot aus Frankreich, sonst hätten wir noch ein paar Jahrzehnte länger auf diese Goldmedaille warten müssen. Danke Merkel, Danke EU!

Angelique Kerber, um das auch noch kurz abzuhandeln, kannte ich vor zwei Jahren noch nicht. Als ich im Januar 2016 die Meldung „Angelique Kerber gewinnt in Australien“ gelesen hatte, dachte ich zunächst, die gute Frau wäre ein unbekannter Seifenoper-B-Promi mit üppiger Oberweite, die Dschungelkönigin bei „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ geworden wäre. Aber wie eben schon ausreichend erklärt, so etwas fällt in das Metier von Markus Lanz, Johannes Baptist Kerner oder Dr. Eckart von Hirschhausen, wobei Letzterer, ich hoffe, es handelt sich um ein Gerücht, nur deshalb beim Fernsehen gelandet ist, weil sich in seiner Zeit als praktizierender Arzt einige seiner Patienten während einer Behandlung tot gelacht hätten.

Kommen wir jetzt zum Wuppertal-Rückblick 2018: Ich weiß gar nicht so recht, wo ich anfangen soll, gibt es doch im Grunde kaum Schönes zu berichten. Glück hatte ich persönlich beim Starkregen vom 29. Mai. Gottseidank war und ist mein Wohnhaus absolut wasserdicht. Aber das ist kein Wunder, lagern doch die Wasserpumpen des Deutschen Roten Kreuzes im Untergeschoss, und dürfen natürlich nicht in einem überfluteten Keller absaufen, wo sie an anderer Stelle dringend gebraucht würden. Das wäre auch zu makaber.

Tief betroffen haben mich die Vorwürfe der Tierschutzorganisation PETA, dass in unserem auch überregional hoch angesehenen Zoo Elefanten geschlagen würden. Nun ja, unser Tuffi hat mal eine ganze Schwebebahn beschädigt, dafür hätte er damals schon einen Klaps auf den Hintern verdient gehabt. Aber eigentlich finde ich es furchtbar, Tiere in Gefangenschaft zu halten.

Wenn die Menschheit es allerdings nicht fertigbringt, vom Aussterben bedrohte Tiere zu schützen, dann müssen zur Arterhaltung einige Tiere in Zoologischen Gärten eingesperrt werden, damit man in zweihundert Jahren unseren UrUrUrUr-Enkeln noch ein paar lustige, herumspringende Schimpansen oder ulkige Pinguine mit ihrem niedlichen Gang zeigen kann. Aber schlagen muss man die Tiere natürlich nicht. Und Kunststücke sollten unsere Elefanten auch nicht vorführen. Unser Zoo ist, das sollte man hier nicht vergessen, landschaftlich gesehen eine Kostbarkeit, eine Augenweide, eine Oase der Ruhe und Abgeschiedenheit. Ich werde weiterhin gerne in den Zoo gehen. Wenn mir beim Besuch im Elefantenhaus auffallen sollte, dass die Tiere mit einem Haken traktiert werden, dann können die Pfleger mich aber mal kennenlernen, und zwar von meiner robusten Seite.
Ich muss aber gestehen, dass mich einige von den Elefantenpflegern schon kennen, weil sie in der Gaststätte „Katzengold“, in der ich hin und wieder koche, des öfteren hart gewordene Reste unserer Stangenweißbrote mitnehmen, um diese an die Dickhäuter zu verfüttern. Für die Elefanten wäre das immer eine große Freude, wie für uns Menschen Chips oder Erdnüsse, meinte einer der sympathischen Pfleger. Ich hatte das Gefühl, diese Leute lieben ihre Tiere sehr. Eventuell hat die Tierschutzorganisation PETA bei ihrer Kritik an unserem Zoo etwas über das Ziel hinaus geschossen.

Tja, und zum neuen Döppersberg ist ja schon viel geschrieben worden. Mir gefällt er zwar nicht so sehr, aber ich liebe ihn trotzdem, weil der Döppersberg zu Wuppertal und zu mir gehört, und auch, weil ich ihn durch meinen Steuerbeitrag mitfinanziert habe. Man könnte es es mal so vergleichen: Wenn bei dem einen oder anderen von uns das eigene Kind jetzt nicht so schön geraten ist, eher ein bisschen hässlich, dann liebt man es doch trotzdem, oder etwa nicht? Ich würde sagen, man liebt es noch viel mehr! Insofern sollten wir mit unserem neuen Tor zur Stadt alle ein wenig behutsamer und liebevoller umgehen. Wir alle machen doch in unseren Berufen Fehler, nur sieht dies oft keiner. Ich glaube, die größten Nörgler sind beruflich selber oft große Versager, die sich über Missgeschicke anderer freuen.

Mein Jahresrückblick für Wuppertal endet leider mit weiteren schlimmen Ereignissen. Die fristlose Entlassung der Intendantin des Wuppertaler Tanztheaters, Adolphe Binder, die ein Gericht gerade für unwirksam erklärte, wirft einen schweren Schatten auf den Beirat und die Verantwortlichen der Stadt Wuppertal. Wie konnte man so einen Prozess verlieren, wo man doch angeblich so viel erdrückendes Beweismaterial gegen Binder vorab der Presse über einen Strohmann zugespielt hatte? Wenn ich früher etwas falsch gemacht hatte, dann sagte meine Mutter in der Regel: „Wie dumm kann man sein?“ Ich finde, das passt hier gerade sehr gut, auch wenn eine Berufungsverhandlung wohl noch in Aussicht steht. Aber wer weiß, eventuell geht Adolphe Binder im kommenden Jahr einfach wieder zur Arbeit ins Opernhaus und sagt ganz lieb: „Guten Morgen! Kommt Kinder, ich gebe einen aus, wir gehen alle ins Café Müller lecker frühstücken!“ Oder der Stadtkämmerer Johannes Slawig nimmt Frau Binder an die Hand und führt sie in ein Schloß? Es bleibt spannend.

Zu guter Letzt hat mich dann die Meldung aus den Schuhen gehauen, dass unsere Schwebebahn voraussichtlich erst in sechs Monaten wieder fahren wird. Viele Menschen sagen jetzt schon, unsere Schwebebahn, wie wir sie noch aus der Kindheit kennen, die gibt es nicht mehr. Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit ist dahin. Beten wir, dass unsere kleine Tuffi-Bahn, so nenne ich die Schwebebahn manchmal, schnell wieder ganz heile ist, und dann richtig Gas geben kann, um mit uns zusammen ins zweite Halbjahr 2019 zu starten.

Zum Abschluss noch zwei lustige Beiträge, damit dieser Rückblick nicht ganz und gar humorlos endet. Leider ist nur eine dieser Geschichten aus Wuppertal. Ich weiß nicht, ob ich die folgende Anekdote irgendwo gelesen oder geträumt habe: Der ehemalige Bundesminister des Auswärtigen, Sigmar Gabriel, erzählte der Kanzlerin zu Beginn einer Regierungssitzung begeistert: „Gestern war ich in La La Land!“, darauf soll Frau Merkel entgegnet haben: „Warum auch nicht, Sie sind ja Außenminister!“

Auch lustig: Ich saß vor einigen Tagen im Schwebebahn-Express. An der Haltestelle Landgericht sagte der Fahrer: „Der Bus will nicht mehr, steigen Sie bitte alle aus!“ Der Gelenkbus für den Schwebebahn-Ersatzverkehr war kaputt, das hatte schon eine gewisse Komik. Man muss allerdings fairer Weise anmerken, dass hinter dem defekten Bus bereits zwei neue Schwebebahn-Express Fahrzeuge warteten, so dass man die Qual der Wahl hatte. Schwebebahn-Express - das klappt doch eigentlich ganz prima!

Ihnen einen guten Rutsch ins neue Jahr.

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