Das ist mein Wuppertal Der perfekte Tag beginnt auf der Kaiserhöhe

Boxprofi Werner Kreiskott genießt dort mit seinem Bullterrier Bam-Bam die Ruhe vor dem hektischen Job.

Das ist mein Wuppertal: Der perfekte Tag beginnt auf der Kaiserhöhe
Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Wenn Werner Kreiskott morgens mit seinem Hund Bam-Bam über die Kaiserhöhe spaziert, dann entspricht er so gar nicht dem Klischee des harten Boxprofis. Jeder, dem er begegnet — und das sind an einem sonnigen Herbsttag wie diesem viele — wird freundlich gegrüßt. Der Hinweis, dass Bam-Bam nichts tut, obwohl er unverkennbar zur Gruppe der Kampfhunde gehört, ist meist nicht nötig. Man kennt sich hier oben. Und Bam-Bam, mit seinen elf Monaten verspielt und von sonnigem Gemüt, zerstreut jegliche Bedenken.

Das ist mein Wuppertal: Der perfekte Tag beginnt auf der Kaiserhöhe
Foto: Andreas Fischer

„Das ist der perfekte Start in den Tag“, versichert der 37-jährige 110-Kilo-Mann, der in seinem Kapuzenpullover dennoch recht unscheinbar aussieht. Der ehemalige Weltmeister im Kickboxen und aktuelle Titelträger des kleinen internationalen Boxverbands WBU muss deshalb nicht lang überlegen, wenn er nach seinem Lieblingsplatz in Wuppertal gefragt wird: „Hier bekomme ich die Ruhe, die ich in meinem hektischen Geschäft zwischendurch brauche.“

Die Arbeitstage in seinem Boxstudio Fight-Club an der Friedrich-Ebert-Straße dauern für ihn teilweise bis Mitternacht. Kurse und Training geben, organisieren, selbst mit aufräumen — das macht Spaß, aber auch viel Arbeit. Und man muss viel reden, was eigentlich nicht so sein Ding ist: „In der Hundeschule wissen die schon, dass ich bei Ausflügen immer vorne oder hinten gehe und lieber mal meinen Gedanken nachhänge“, sagt der Mann, der in der Szene in Wuppertal selbst bekannt ist wie ein bunter Hund.

Im persönlichen Gespräch kann von Einsilbigkeit allerdings nicht die Rede sein. „Wuppertal ist meine Stadt, hier bin ich geboren und hier lebe ich gerne. Ich habe es ja von Osten nach Westen durch die Stadt geschafft.“ Aufgewachsen auf der Hilgershöhe, einem damals sozialen Brennpunkt, zog er mit den Eltern später zum Opphof im Wuppertaler Osten, eröffnete sein erstes Boxstudio in Vohwinkel, bevor er 2013 in dem Industrieloft am Arrenberg gelandet ist. Auf der Rückseite fährt dort die Schwebebahn direkt vor dem Fenster vorbei. Mehr Wuppertal geht nicht.

Bis dorthin war es aber für ihn ein langer Weg mit vielen Irrungen und Wirrungen, mit denen er offen umgeht: „Den vielen Jugendlichen, die heute bei mir trainieren und für die ich eine Respektsperson bin, sage ich immer: Das schnelle Geld bringt nichts.“ Er weiß, wovon er spricht. Er selbst hat es gesucht, nachdem er in seiner Rowdyzeit von der Hauptschule Röttgen geflogen und an der Peter-Härtling-Förderschule seinen Abschluss gemacht hatte. Nach einer Kaufmannslehre arbeitete er lieber auf dem Bau, weil „da kurzfristig mehr Kohle reinkam“. Er nahm Jobs als Türsteher und Personenschützer an, nachdem er sich als Kickboxer einen Namen gemacht hatte.

Und dann waren da die Betrügereien, unter anderem im Zusammenhang mit Schutzgelderpressung, für die er 2010 zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt wurde. „Da habe ich großen Mist gebaut“, sagt er heute. 27 Monate der Strafe hat er verbüßt, kam danach wegen guter Führung frei und durfte auch zwischendurch einige Kämpfe bestreiten und für seine Boxer organisieren. Auch, um Geld aus den Fällen zurückzahlen zu können.

Geschadet hat es ihm in der Boxszene nicht. Lediglich die ARD sagte 2013 einen Kreiskott-Kampf im Vorprogramm von Arthur Abraham ab. Sein Kampfabend in der Uni-Halle 2011, der erste, nachdem er aus der U-Haft kam, war mit mehr als 1500 Zuschauern sogar der bisher am besten besuchte. Kreiskott: „Da wollten alle den bösen Werner sehen.“ Aus der ganzen Sache habe er gelernt, wer echte Freunde seien. Da sei zuallererst Olga, seine damalige Freundin und seit 2014 seine Ehefrau. „Sie ist Juristin und fiel aus allen Wolken, als sie von den Vorwürfen hörte, hat aber alles mit mir durchgestanden.“ Da sei auch der heutige WSV-Trainer Stefan Vollmerhausen - sein Trauzeuge. Ihn hatte er 2002 bei NK Zagreb kennengelernt hat. Ursprünglich spielte Kreiskott nämlich Fußball. Zum Kickboxen kam er erst, als ein Freund ihn mal zu einem Kampfabend mitnahm — dort fehlte ein Kämpfer, Kreiskott sprang ein und gewann prompt. Eine Geschichte wie im Groschenroman, aber wahr, auch wenn der bescheidene Boxer darum nicht viel Aufhebens macht.

Die martialische Inszenierung wie auf seinen Plakaten, auf denen er mit finsterem Blick und mit seinen großflächigen Tätowierungen zu sehen ist, machen andere für ihn. Aber irgendwie gehört das eben auch zur Szene, die unterhalb der glänzenden Welt eines Vladimir Klitschko oder Felix Sturm hart umkämpft und weit weniger lukrativ ist.

Als der Spaziergang über die Kaiserhöhe beendet ist, begrüßt Bam-Bam noch freudig den Hund eines anderen Spaziergängers. „Dass wir hier so viele Leute mit Hunden treffen, ist gut für Bam-Bams Resozialisierung“, sagt Kreiskott und verbessert sich nach einer kurzen Pause selbstironisch: „Ach ja — ich bin der, der resozialisiert werden muss.“ Er scheint seine Lektion verstanden zu haben.

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