Der leuchtende Tsunami

Jürgen Scheugenpflug ist Wuppertaler Kabarettist und Leiter der Kabarett-Academy. In seinem satirischen Wochen-Rückblick kommentiert er Ereignisse aus dem Stadtleben.

Mohamed Nasheed, Präsident der Malediven, hatte im Oktober vergangenen Jahres eine wunderbar rettende Idee. Er kündigte an, für die Bevölkerung eine neue Heimat kaufen zu wollen, da der Inselstaat bei steigendem Meeresspiegel untergehen wird. Er lege bereits Einkünfte aus dem Tourismusgeschäft beiseite, bestätigte er dem englischen Guardian, damit solle Land in Indien oder Australien gekauft werden.

Auch uns steht das Wasser bis zum Hals, aber wir können uns leider nichts Neues kaufen. Es ist auch nicht der steigende Meeresspiegel, der den Wuppertalern primär Sorge bereitet. Denn es werden erst die Vororte wie Düsseldorf, Köln und Würselen untergehen, bevor salzige Nordseewellen ins Tal schwappen. Uns überschwemmt vielmehr die kommunale Pleite. Doch gerade in diesen Zeiten zeigt sich, was Bergischer Humor ist.

Da meldet sich der ein oder andere gut gelaunte Wuppertaler mit der erleuchtenden Nachricht, dass künftig in Barmen am Alten Markt endlich die Schwebebahn neu illuminiert würde. Sie wissen schon, mit diesen Lämpchen aus Solingen, die zwar nicht immer funktionieren, aber wenn sie mal leuchten, entzückend aussehen. Gerade am Alten Markt, wo in unmittelbarer Nachbarschaft des Schwebebahnhofes der futuristische Nachkriegsbunker mit integrierter Fastfood-Versorgung die urbane Landschaft ungemein schmückt, kommt diese Neuerung wirklich gut an.

Da sage noch einer, in Barmen gehen bald die Lichter aus. Im Gegenteil, denn just da werden bald die Touristen aus aller Welt mit "Lampenfieber" staunend am Wupperufer stehen und auf die nächste Schwebebahn warten, die dann den Kontakt auslöst. Und schon brennt der Baum, pardon, schon leuchtet es bunt am frisch gestrichenen Gerüst des weltbekannten Verkehrsmittels. Knapp 36.000 Euro haben die Illusionisten selber zusammengekratzt, der Rest von weit über 100.000 Euro kommt dann vielleicht aus irgendeinem Landessäckchen dazu. Das ist preiswert und überaus sinnvoll.

Vor allem aber sicher medienwirksamer, als eine Sozialeinrichtung zu unterstützen, denen derzeit reihenweise die Lichter ausgehen. Böse Zungen, und es sind nicht die der Ornithologen, behaupten ohnehin, dass die Lichtschranke lediglich ein Warnsignal für Pleitegeier und andere Vögel sei, auf dem Rücken liegend das Tal zu überfliegen, um das bald beleuchtete Elend nicht anschauen zu müssen. Aber nicht bei jeder Angelegenheit soll uns Bürgern der Stadt ein Licht aufgehen. Kaum sieht man irgendwo ein Licht am Ende des Tunnels - schon wird der Tunnel weitergebaut. Selbst wenn das Licht nur ein Lämpchen war, Ehrenwort.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort