Gastbeitrag Der junge Engels und sein Elternhaus

Historiker Reiner Rhefus über die glücklich Kindheit des Revolutionärs.

 Das Elternhaus von Friedrich Engels von der Gartenseite. (Nov. 1915)

Das Elternhaus von Friedrich Engels von der Gartenseite. (Nov. 1915)

Foto: ja/StAW, Slg. Friedrich Engels, Album 39, Die Engels-Häuser plus der Engelsgarten

Am östlichen Ende des Engelsgartens stand das Geburtshaus von Friedrich Engels. Hier kam er 1820, dem Jahr, in dem die erste Dampfmaschine in Elberfeld ein neues Zeitalter ankündigte, zur Welt. Der Vater war Mitbesitzer der Manufaktur, die mit ihren etwa 40 Wohn- und Arbeitsstätten den größten Teil des heutigen Engelsgartens einnahm. Die Mutter war eine gebildete Frau und Tochter eines Schulrektors, des geliebten Großvaters von Friedrich Engels.

Der junge Friedrich, das älteste von neun Kindern, hatte sicherlich eine glückliche Kindheit. Aus den Briefen der Eltern – der Vater war viel auf Geschäftsreisen – wissen wir, wie liebevoll sich die Eltern um ihre Kinder kümmerten. Gleich neben dem Elternhaus lag die von der Familie Engels gestiftete Elementarschule. In den zwei Klassenräumen wurden die knapp 200 Kinder der Fabrikkolonie von zwei Lehrern unterrichtet. Friedrich Engels jun. besuchte die Schule nicht. Er wurde vermutlich von Hauslehrern und später in der Barmer Stadtschule unterrichtet.

Doch trotz dieser Trennung wird der junge Friedrich durch das gemeinsame Leben in der Fabrikkolonie mit seinen Altersgenossen gut bekannt und befreundet gewesen sein. Dass Engels in unmittelbarer Nähe zu den Produktionsstätten und der dortigen Arbeiterschaft aufwuchs und deren Lebenswirklichkeit früh kennengelernte, unterschied ihn wesentlich von seinem späteren Freund und politischem Weggefährten Karl Marx.

In einem Nachbarhaus am Bruch wohnten auch Louise Snethlage (1799-1843), eine Tante Friedrichs, und ihr Mann Carl Wilhelm Moritz Snethlage (1792-1871). Snethlage war einer der zwei Pastoren der neu gegründeten Gemeinde zu Unterbarmen, ein enger Freund von Friedrich Engels sen. und deshalb Pate von Friedrich Engels. Durch ihn wurde Friedrich mit dem strenggläubigen Pietismus vertraut.

Als der 18-jährige Engels in Bremen in Kontakt mit politischen und literarischen Oppositionellen kam, kam es auch zu Konflikten im Elternhaus. Bei solchen weltanschaulichen Konflikten wurde auch der Pastor Snethlage hinzugezogen. Engels hielt gelegentlich Szene aus dem Familienleben und dem Elternhaus fest. In der kleinen Komödie „Die Verkleidung“ – die er zur Unterhaltung der Schwester verfasste – beschrieb er in einer Küchenszene die Mühen der Mutter, sich um fünf Kinder zu kümmern. In einer Karikatur sehen wir, wie Friedrich eine Strafpredigt der Eltern und des Onkels über sich ergehen lassen muss.

Engels verließ sein Elternhaus schon mit 18 Jahren. Bei späteren Aufenthalten, meist beim Übergang zu neuen Ausbildungs- und Lebensabschnitten, verfasste er hier jedoch auch bedeutsame Texte, so etwa das Buch „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ (1844/45) oder die englische Übersetzung des „Manifest der Kommunistischen Partei“ (1848).

Das Haus fiel 1943 den für die ganze Stadt verheerenden Bombenangriffen zum Opfer. An seiner Stelle wurde 1959 ein Gedenkstein errichtet, der an den „großen Sohn der Stadt“ und „Mitbegründer des wissenschaftlichen Sozialismus“ erinnert.

Bei wöchentlichen Führungen durch den Engelsgarten wird die Herkunft und der familiäre Hintergrund von Friedrich Engels dargestellt. Eine der Stationen ist das Geburtshaus.

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