Der Herr über 4000 Knöpfe

Andreas Herr hat 1999 das Heyday Studio in Heckinghausen gegründet. Heute stehen drei Männer hinter dem Mischpult.

Heckinghausen. 4000 Knöpfe und Regler breiten sich auf dem Mischpult vor Andreas Herr und seinen Kollegen Marc Sokal und Matthias Koch aus. Dahinter kommt schon die Wand des kleinen Studios, darin ein kleines Fenster, das den Blick freigibt auf Musiker, die Geigenmelodien einspielen. „Das ist die Band, die wir im Augenblick produzieren“, erklärt Heyday-Studio-Gründer Andreas Herr, den alle „Andi“ nennen. Seine blasse Gesichtsfarbe verrät, dass er viel Zeit in dem Raum ohne Tageslicht im Oxtor-Komplex verbringt. „Ich habe meine Arbeitszeit aber schon eingeschränkt, früher waren es mitunter 16 Stunden am Tag“, sagt er, während er an einem Regler dreht.

Inzwischen hat der Tontechniker auch Unterstützung in seinem Tonstudio an der Mohrenstraße: Seit drei Jahren ist Marc Sokal mit dabei, zurzeit wird Student Matthias Koch angelernt. Angefangen hat Andi Herr 1999 aber allein. Erfahrungen als Live-Mischer sammelte er auf Tour mit Uncle Ho, später gründete er mit alten Kollegen die Wuppertaler Band Heyday. Um seine Gruppe zu produzieren, baute er 1999 das gleichnamige Studio auf.

„Als der Durchbruch mit Heyday scheiterte, wusste ich erst einmal nicht, was zu tun ist. Eigentlich wollte ich immer Rockstar werden“, erzählt Herr lachend. Stattdessen setzte er all seine Energie in den Aufbau seines Studios. Mit Erfolg: Bands wie Reamonn oder die befreundete Gruppe Uncle Ho haben ihre Cds in dem Studio gemischt. Auch Hape Kerkeling hat als Horst Schlämmer mit den Wuppertalern schon zusammengearbeitet. „Tatsächlich macht die Arbeit am meisten Spaß mit professionellen Musikern. Da ist das Handwerk schon vorhanden, und wir können kreativ die Umsetzung mitgestalten“, erklärt Marc Sokal.

Doch auch viele noch unbekannte Bands singen und spielen ihre Lieder im Heyday Studio ein. „Wichtig ist, dass die Musiker mit einem gewissen Ehrgeiz daran gehen. Wir investieren so viel Zeit, da soll das Ergebnis auch entsprechend sein“, sagt Herr, dessen Freundin und siebenjährige Tochter viel Verständnis für den aufwändigen Job haben.

Privat hört der Studiogründer keine Musik mehr, „ich habe gar keine Stereoanlage mehr zu Hause“. Studiokollege Sokal hingegen lebt die Musik nicht nur im Studio aus. „Ich spiele Schlagzeug in zwei Hardcore Bands und bin auch mit Henrik Freischlader häufig unterwegs“, erzählt er.

Die Arbeit am Mischpult öffne den Horizont für sämtliche Musikrichtungen oder ganz andere Produktionen. „Ich habe auch schon türkische Lesungen aufgenommen. Das war richtig spannend, an richtiger Stelle Sinnpausen zu machen“, erinnert sich Herr. Die Drei kennen aber auch die harten Seiten des Jobs. „Immer mehr Leute kaufen sich einen PC, nehmen sich selbst auf und meinen, sie brauchen kein Studio mehr“, formuliert Marc Sokal ihren Ärger. Dennoch sind sie gerne im Studio: „Man ist dann auch manchmal Hobby-Psychologe, weil viele sich beim Musikmachen erst richtig öffnen und vieles ansprechen“, sagt Sokal. Der größte Antrieb bei der Arbeit ist aber ein Traum, den die Drei teilen: „Man hofft ja bei jeder Produktion, bei jeder noch so kleinen, aber vielversprechenden Band, dass dieses eine Lied, das man gerade aufnimmt, zum Hit wird“, verrät Andi Herr mit glänzenden Augen.

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