Wuppertal Das Wuppertaler Schauspielensemble begeistert mit einem neuen Format

„Weh mir“ ruft der junge Mann in der hellen Barockjacke und wirft sich theatralisch auf den Boden, so dass die weiße Mozart-Perücke noch mehr verrutscht. Die Menschen um ihn herum treten zur Seite.

Während sie noch überlegen, wie sie reagieren sollen, kommt die Antwort. „Weh mir“ und „O Romeo!“, ruft ein nur lässig als Julia zurechtgemachter Thomas Braus von der Balustrade herab. Konstantin Rickert steht auf, fragt einen Herrn neben ihm: „Oder soll ich reden?“

Theater geht ins Barmer Rathaus mit Shakespeare, Goethe, Asterix und viel Spielfreude im Gepäck und begeistert für eine knappe halbe, rasante Stunde — überfallartig und komisch. Die Rathausbesucher, ob zufällig oder wegen der Aufführung gekommen, bleiben stehen, lachen, staunen und machen mit. Das neue Format der Wuppertaler Bühnen, „Schnappschuss“, feierte gestern einen mitreißenden Auftakt.

So abrupt der Einstieg in die Aufführung, so chaotisch die Fortsetzung. Kein Erzählstrang wird zu Ende geführt. Die Schauspieler fallen sich gegenseitig ins Wort, rennen umher, lassen Blätter zu Boden fliegen, sprechen die Zuschauer an. Schließlich sind sie im Rathaus, und da „müssen Sie Theater spielen können“, belehrt sie Intendant Braus. Also erteilt er Schauspielunterricht und stellt entrüstet fest, dass sie Goethes Faust nicht beherrschen: „Sie kennen das nicht? Das müssen Sie kennen!“

Derweil wird er immer wieder durch zwei Männer im schlampigen Trainingsanzug unterbrochen, die in betonter Proletenpose den A38-Passierschein begehren. „Warum stören Sie? Ich arbeite hier“, weist er sie erfolglos zurück. Alexander Peiler und Martin Petsch begeben sich zwar auf die erfolglose Suche, kehren aber immer wieder zurück. Um von ihren Kollegen erneut durchs Haus geschickt zu werden und — wie schon Obelix und Asterix in Roms Verwaltung — nirgends anzukommen. Sie schleppen sich zunehmend erschöpft die Treppe empor, kommen mit dem Paternoster und ihrer Frage wieder runter. Überhaupt das Paternoster, Sinnbild nie endender, ankunftsloser Bewegung: An die Stelle der Kommunikation treten akrobatische Posen und mehr oder weniger hörbare Monologe, so dass der zunehmende Irrsinn auch körperlich sichtbar wird.

"Schnappschuss" - Das neue Format der Wuppertaler Bühnen
19 Bilder

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Die Konfusion wird komplett, als Asterix’ nicht bekanntes Rundschreiben B65 ins Spiel kommt. Romeo wird zu Julia und umgekehrt, Shakespeares Frage „Sein oder nicht sein“ bleibt unbeantwortet. Schließlich treffen sich alle zur Passierschein-Aussage „Er ist nicht hier, er ist dort“ im Foyer, eilen gemeinsam nach draußen und kehren nur kurz zum wohlverdienten Applaus in die Eingangshalle zurück.

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