Offen gesagt : Das Wuppertaler Modell
Wuppertal Warum die Botschaft der Kampagne „Fair eingestellt“ des Jobcenters wirkt.
Die Plakate sind verschwunden. Aber ihre Botschaft wirkt nach. „Fair eingestellt“ funktioniert. Denn Langzeitarbeitslose sind nicht Gottes letzte Garnitur. Viele von ihnen haben Fähigkeiten und das Zeug dazu, wertvolle Mitglieder des deutschen Konjunkturclubs zu sein. Das Jobcenter hat Belege dafür. Es hat untrügliche Beweise, dass endgültig nicht grundsätzlich für immer bedeuten muss. Es gibt Wege aus langjähriger Erwerbslosigkeit zurück in die Welt der Arbeit. Sie sind hart, sie sind steinig, und an ihrem Ende steht längst nicht in jedem Fall der Beginn eines ganz normalen Arbeitslebens. Es gibt auch Scheitern, es gibt auch Menschen, die es nicht mehr zurück in ein normales Arbeitsleben schaffen. Sie sind vermutlich sogar die Regel.
Aber es lohnt sich dennoch, die Ausnahmen zu suchen. Das Jobcenter hat das seit Anfang November getan. Und es fand eine Vielzahl von Frauen und Männern, die auch Jahre nach ihrem bis jetzt letzten Engagement am Arbeitsmarkt für neue Aufgaben taugen. Das gelang, weil die Zutaten stimmen. Zu solchen Erfolgen gehört ein Jobcenter, das nicht zufrieden damit ist, das Geld der Steuerzahler einfach nur an Bedarfsgemeinschaften weiterzuleiten. Es gehören Unternehmer dazu, die den Mut aufbringen, das Experiment mit einem Langzeitarbeitslosen zu wagen. Und es gehören Langzeitarbeitslose dazu, die all ihre Courage in das Überwinden dieser furchtbar hohen Hürde stecken. Denn auch in Zeiten von Fach- und Pflegekräftemangel ist es in Deutschland ein äußerst schwieriges Unterfangen, als Erwerbsloser, als alleinerziehende Mutter oder alleinerziehender Vater, als gering oder gar nicht Qualifizierter eine ordentlich bezahlte Anstellung zu finden. Wer noch nie in so einer Situation gewesen ist, kann kaum ermessen, welche Schwierigkeiten es zu überwinden gilt, bis ein potenzieller Arbeitgeber gefunden ist und der letztlich auch noch ja sagt zu seinem neuen, mutmaßlich zunächst unsicheren Kantonisten.
In Wuppertal gibt es solche Arbeitgeber, es gibt 9000 Unternehmer, die ihre Betriebe weit überwiegend im besten Sinne der sozialen Marktwirtschaft führen. Das macht sich das Jobcenter zunutze. Dadurch ist die Liste der Langzeitarbeitslosen in den vergangenen Monaten um mehrere Hundert Namen kürzer geworden. Das ist sozial. Und das ist Marktwirtschaft, weil es Investition nicht in, sondern gegen Armut bedeutet.
Wuppertal gehört in Deutschland zu den Städten mit den verhältnismäßig meisten Empfängern von Hartz-IV-Leistungen. Wuppertal gehört mit 80 Millionen Euro im Jahr zu den Städten, in denen am meisten für Hilfe zur Erziehung ausgegeben werden muss. Wuppertal ist heute weit entfernt von den Blütezeiten, die Barmen und Elberfeld im 19. Jahrhundert durchleben durften. Wuppertal ist eine arme Stadt.
Aber diese arme Stadt wäre schlecht beraten, wenn sie weiter auf den Weißen Ritter wartete, der sie aus dem finanziellen Elend rettet. Dieser Ritter wird nicht kommen. Es gibt ihn gar nicht, weder in Berlin, noch in Düsseldorf, noch in Brüssel oder sonst wo. Also muss Wuppertal sich selbst helfen. Das geschah und geschieht durch bürgerschaftliches Engagement, wie es sich beispielsweise in der Nordbahntrasse und in der Junior Uni verewigt, es geschah einst mit dem Mut, politisch Ja zu sagen zum Umbau des Döppersberges. Nun geschieht es dadurch, dass ein Jobcenter sich nicht mit seiner Rolle als Armutsverwalter zufrieden gibt, sondern Unternehmer mit Unternehmergeist sucht – und findet.