Das Quartier diskutiert über Folgen der Stadtentwicklung

Ob in der Mirke reiche Mieter arme Bewohner des Viertels verdrängen, war Thema in der Utopiastadt.

Das Quartier diskutiert über Folgen der Stadtentwicklung
Foto: Andreas Fischer

Mirke. Der dritte Stadtentwicklungssalon machte die negativen Folgen von Stadtentwicklung zum Thema. Unter dem Titel „Schöner Wohnen für alle?“ lud das Forum Mirke zur Diskussion in die Utopiastadt ein. Neben Utopiastadt-Gründer Christian Hampe saßen Sven Macdonald vom städtischen Büro für Quartiersentwicklung und Stephan A. Vollmer als Vertreter der Immobilienwirtschaft auf dem Podium. Aus Bochum zu Gast war Martin Krämer. Er vertrat das Netzwerk Recht auf Stadt, das sich für Selbstorganisation von Mietern und solidarische Nachbarschaften einsetzt.

Aufhänger für Moderatorin Annette Hager war das Reizwort Gentrifizierung — also die Verdrängung finanziell schlecht gestellter Viertelbewohner durch neue, zahlungskräftige Mieter. An Hampe ging die Frage, ob er und die anderen Utopisten nicht selber „Pioniere“ der Gentrifizierung seien. „Die Pioniere sorgen dafür, dass alle in der Nähe vom Mirker Bahnhof wohnen wollen“, sagte Hager. „Wir sind dafür angetreten, dass sich die Dinge zum Positiven verändern“, entgegnete Hampe. Die Utopiastadt wende sich gegen jede Form von Gentrifizierung. Deshalb sei „jetzt der richtige Zeitpunkt“ für eine Diskussion zum Thema. Noch könne man gegensteuern, betonte Krämer. „Wir haben eine Chance, dass das hier nicht passiert.“

In der Aufwertung eines Stadtviertels sah Vollmer grundsätzlich nichts Negatives. Man solle nicht überdramatisieren, sagte Macdonald, der keinen Verdrängungsprozess erkennen konnte. Die Mieten seien gestiegen, erklärte er. Das sei jedoch nicht nur in der Mirke zu beobachten, sondern in ganz Wuppertal und der Region. Das eigentliche Problem sah Macdonald im Leerstand, den er mit 5,9 Prozent bezifferte. „Es ist weniger geworden, aber zwei bis drei Prozent wäre etwas gesünder.“

Wie lasse sich ein „gemischtes“ Mirker Quartier erhalten, fragte Hager weiter. „Was kann man machen, um Familien mit niedrigen Einkommen zu halten?“ Für mehr sozialen Wohnungsbau sprach sich Krämer aus. Um den sei es schlecht bestellt, schaltete sich Vollmer ein, solange die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (GWG) rote Zahlen schreibe und mit Millionen gestützt werden müsse.

Diese Kritik wollte Zuhörer Thomas Kring nicht so stehenlassen. Der SPD-Stadtverordnete aus der Nordstadt hielt seine Gegenrede vom Stuhl aus, der für Diskussionsteilnehmer aus dem Publikum reserviert war. Die GWG, sagte Kring, betreibe „ein sinnvolles Geschäft“ und könne negativen Prozessen entgegenwirken.

Nach Kring setzte sich Bernhard Sander von den Linken auf den Stuhl. Nordbahntrasse, breiteres kulturelles Angebot, mehr Geschäfte - das seien bereits Symptome eines Wandels. Gleichzeitig gebe es Bürgerproteste. So am Hombüchel, wo Mieter ihren Vermieter dazu brachten, die geplanten Renovierungsarbeiten am Haus deutlich „abzuspecken“.

Im Mirker Quartier beginne solches Engagement erst, berichtete Christian Hampe. Die Anwohner, mit denen er spreche, zögerten, sich zu organisieren und Mitsprache zu fordern. „Was können wir machen, damit Mieter informiert sind?“, fragte er in die Runde. „Wie können Makler dazu beitragen?“ Den Wohnungsmarkt werde man beobachten, kündigte Macdonald an. „Es wird in den nächsten Jahren spannend werden.“ Vollmer appellierte an die Stadt, die Grundlagen für eine genaue Beobachtung zu schaffen — mit einem neuen qualifizierten Mietpreisspiegel. Moderatorin Hager hoffte, dass sich die Idee der Solidarisierung herumspreche. „Solidarische Nachbarschaft ist auch ein Standortfaktor“, schloss sie.

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