Das Pokern um die Grundsteuer hat gerade erst begonnen

Wie hoch Grundstücke in Zukunft besteuert werden, ist noch völlig ungewiss. Es wird Gewinner und Verlierer geben.

Symbolbild

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76 Millionen Euro nimmt die Stadt Wuppertal pro Jahr über die Grundsteuer ein. Einzahler sind die Besitzer von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie Mieter, auf die die Grundsteuer umgelegt werden darf. Die Berechnungsgrundlagen für die Grundsteuer A und B sind nach einem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig. Bis Ende 2019 muss der Gesetzgeber eine Neuregelung der Grundsteuer verabschieden, die spätestens ab 2025 anzuwenden ist.

An der Notwendigkeit einer Reform gibt es keinen Zweifel: Die für die Berechnung zugrunde gelegten Einheitswerte für Grundstücke sind nicht mehr aussagekräftig. In den alten Bundesländern stammen sie aus 1964, in den neuen Ländern gar aus dem Jahr 1935.

Zurzeit sind drei Modelle in der Diskussion, nach denen der Einheitswert neu berechnet werden könnte. Auf Bundes- und Landesebene herrscht allerdings keine Einigkeit. Daher kündigte Stadtkämmerer Johannes Slawig im Finanzausschuss an: „Heute beschäftigen wir uns zum ersten Mal mit diesem Thema, es wird aber nicht das letzte Mal sein.“

Die Grundsteuer ist laut Slawig „der Traum eines jeden Kämmerers“. Über Jahrzehnte flossen die Steuereinnahmen auch in Wuppertal stetig und vor allem berechenbar in die Stadtkasse. Das Finanzamt legt für das Grundstück einen Einheitswert fest, der mit einer Steuermesszahl multipliziert wird. Die hängt davon ab, wie das Grundstück genutzt wird. Den so ermittelten Steuermessbetrag kann jede Kommune über den Hebesatz in die Höhe schrauben — das Gegenteil ist weit seltener der Fall. Der Hebesatz variiert zwischen 0 und 960 Prozent. Oft bestimmen Bedürftigkeit und Schuldenstand den Hebesatz einer Kommune entscheidend mit. Wuppertal liegt mit einem Hebesatz von 620 Prozentpunkten im oberen Drittel, reichere Städte (Monheim, Düsseldorf) können sich einen geringeren Hebesatz leisten und ihren Bewohnern günstigere Konditionen gewähren.

Eine Erhöhung des Hebesatzes schließt der Kämmerer zurzeit aus, obwohl Wuppertal für 2018 keinen ausgeglichenen Haushalt vorweisen kann. Sollte sich die Steuereinnahme durch die Neubewertung der Einheitswerte in den kommenden Jahren erhöhen, werde dies durch eine Senkung des Hebesatzes ausgeglichen, so Slawig. „Mitnahmeeffekte lehne ich ab. Sollte die Erhöhung der Grundsteuer erforderlich sein, was ich grundsätzlich nie ausschließen kann, dann muss dies sachlich begründet sein“, sagt Slawig.

Die Erhöhung des Hebesatzes um rund 100 Prozentpunkte würde der Stadt rund 13 Millionen mehr bescheren — aber auch massive Bürgerproteste provozieren. Die Erhöhung um 100 Prozentpunkte würde für Besitzer eines Einfamilienhauses (150 Quadratmeter) eine Steuererhöhung von rund 15 Euro pro Monat bedeuten. Für ein Mehrfamilienhaus (500 Quadratmeter) wären es etwa 40 bis 45 Euro pro Monat mehr.

Um weit höhere Summen geht es im Einzelfall vermutlich bei der Neuregelung der Einheitswerte. Slawig nannte im Ausschuss das Beispiel Potsdamer Platz in Berlin. Das Gelände wird Jahre nach dem Fall der Mauer immer noch nach dem Einheitswert aus den 1960er Jahren berechnet — die gewaltige Wertsteigerung schlägt bisher nicht zu Buche. Nachdem die Politik sich über Jahrzehnte geweigert hat, die Ungleichbehandlung durch eine Reform des Grundsteuergesetzes zu beenden, stellte das Bundesverfassungsgesetz nun ein Ultimatum.

Die Kommunen befürworten ein Modell, das der Bundesrat gegen die Stimmen von Hamburg und Bayern beschlossen hat. In Hamburg und Bayern dürften besonders hohe Wertsteigerungen erzielt worden sein. In beiden Bundesländern scheut sich die Politik offensichtlich davor, die Bürger - und damit Wähler — kräftig zur Kasse zu bitten. Eine Einigung unter den Ländern ist nicht in Sicht - so lange herrscht für jeden Steuerzahler absolute Ungewissheit darüber, was an Be- oder Entlastungen auf ihn zukommt. Es wird Verlierer und Gewinner der Gesetzesreform geben, kündigt der Kämmerer an.

Die Kommunen erwarten von den Ländern, dass sie sich zügig einigen, damit mit der Umsetzung bis 2025 begonnen werden kann. Die Ungewissheit bezüglich der Steuerlast dürfte aber in Zukunft viele Immobilien- und Grundstücksverkäufe begleiten. 35 Millionen Grundstücke müssen neu taxiert werden. Eines ist aus Sicht der Kämmerei gewiss: Auf die Grundsteuer als Einnahmequelle könne die Stadt Wuppertal nicht verzichten. Doch im Falle eines Falles haben die Kommunen mit dem Hebesatz ja eine Steuerschraube in der Hand, die sich in beide Richtung drehen lässt.

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