Else Lasker-Schüler-Jahr Das Leben zweier starker Frauen im Tanz und Wort

Wuppertal · Helene Stöcker und Charlotte Bara waren Thema eines anspruchsvollen Abends im Theater am Engelsgarten.

 Die Compagnia Tiziana Arnaboldi kam eigens aus der Schweiz angereist, um das Leben Charlotte Baras tänzerisch zu rekonstruieren.

Die Compagnia Tiziana Arnaboldi kam eigens aus der Schweiz angereist, um das Leben Charlotte Baras tänzerisch zu rekonstruieren.

Foto: Bartsch,G. (b13)

Nicht ein, sondern zwei Stücke waren im Theater am Engelsgarten zum Else-Jahr zu sehen: Ein Tanzstück aus dem Tessin traf auf einen biografischen Monolog. Und bei der Zweiteilung blieb es auch; die Teile des Doppelabends waren unverbunden und boten zum 150. Geburtstag von Else Lasker-Schüler höchst unterschiedliche Beiträge.

Das Solostück „Zwischen den Stühlen“ mit Beate Rüter widmete sich Helene Stöcker. Am 13. November 1869 rund neun Monate nach der Dichterin gleichfalls in Elberfeld geboren und 1943 zwei Jahre vor ihr gestorben, war sie eine wichtige Gestalt der Frauenbewegung. Voran ging „Tanz und Mysterium“, eine Hommage an die Ausdruckstänzerin Charlotte Bara (1901-1986), zu der die Compagnia Tiziana Arnaboldi unter Tiziana Arnaboldi eigens aus der Schweiz gekommen war. Den Bezug erklärte vorab Martin Dreyfus, Experte für Exilliteratur: Bara lebte in Ascona, und ihre Mutter war eine Schulfreundin der Dichterin, die selbst eine Lesung in Ascona hielt.

Beate Rüter macht
das Leben Stöckers greifbar

Helene Stöcker war politisch aktiv und die erste Frau Deutschlands mit Doktortitel. Auch wegen ihres unkonventionellen Frauenbildes musste sie vor den Nazis fliehen. Die Schauspielerin Beate Rüter, die das Stück auch selbst geschrieben hat, lässt Stöcker nun als Figur aus ihrem Leben erzählen. Unter Mitarbeit von Petra Koßmann wählte sie ein Reise-Szenario: Die Pionierin berichtet mit Schal und Koffer, vor Meeresbildern wie auf der Fahrt.

Kämpferisch ist der Gesamteindruck von Stöcker, in vielfältigem Einsatz auch für Pazifismus und soziale Gerechtigkeit: „Die größte Sünde ist es, seinen Idealen untreu zu werden.“ Ein starker Akzent galt der Autonomie: „Wie soll die geistig unabhängige Frau ihr Verhältnis zum Mann gestalten?“ So auch bei ihrem ernüchternden Fazit, als ein Land nach dem anderen durch die Nazis als Fluchtort unmöglich wurde: „Wieder angewiesen auf fremde Unterstützung!“ Ein lebendiges Bild Helene Stöckers, das im Jahr von Lasker-Schüler eine weitere interessante Stadttochter ins Bewusstsein brachte.

Ganz anders als dieser naturgemäß wortlastige Beitrag kam die Performance zu Charlotte Bara daher. „Tanz und Mysterium“ – das Versprechen im Titel löste die Aufführung aus Ascona ein und bot ein tänzerisches Gastgeschenk zwischen Harmonie und Geheimnis. Eleonora Chiocchini, Marta Ciappina und Francesca Zaccaria agierten zunächst als Trio, später einzeln oder zu zweit. Nie gegen einander, sondern vereint oder zumindest parallel sprachen zunächst Gleichmaß und Beherrschung aus ihren Bewegungen. Dann streute eine Tänzerin alleine Blüten aus; sie wurden fortan ein Teil zum gemeinsamen Spiel, zum Schaffen neuer Bilder.

Sinnlich war dieses Spiel bei aller Reduktion, schon mit dem intensiven Rot, Weiß, Schwarz der Kleider. Wenn auch uneindeutiger als das Stöcker-Porträt, mochte man dennoch Linien erkennen: Als Gruß an die Elemente wie Donner und Licht erschien die ganze Darbietung – vielleicht auch grundsätzlich als Feier der Weiblichkeit. Ein zauberhafter Fremdkörper.

Und so bot der Abend trotz fehlenden Bogens zusammen einen stimmigen Beitrag zum Else-Jahr mit dem Titel „Meinwärts. Das Herz der Avantgarde“: Nicht zuletzt war die Dichterin doch auch als Frau interessant, eine Liebende mit Kopf und Herz, die mit Geschlechterrollen spielte und dabei Kunst schuf – voll Sehnsucht und Sinnlichkeit.

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