Das Jahrzehnt im Rückblick „Lasst uns mehr Wuppertal wagen“

Wuppertal · Ein kräftezehrendes Jahrzehnt im Rückblick: Die Stadtgemeinschaft hat sich bewährt.

 Drei Jahre war die B7 gesperrt. Die Eröffnungsparty im Sommer 2017 wurde zur stimmungsvollsten Party des Jahrzehnts.

Drei Jahre war die B7 gesperrt. Die Eröffnungsparty im Sommer 2017 wurde zur stimmungsvollsten Party des Jahrzehnts.

Foto: Fischer, Andreas (f22)

Wenn am 31. Dezember Bilanz gezogen wird, dann bietet es sich an, den Blick nicht nur auf die vergangenen 365 Tage, sondern auf die zurückliegenden zehn Jahre zu richten. Ein Jahrzehnt geht zu Ende, in dem sich die Stadt trotz aller Probleme und vieler unerfüllter Hoffnungen zum Besseren verändert hat. Hier ein Überblick, der nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Wuppertal wächst
entgegen aller Prognosen

Zu Beginn der 2010er Jahre war viel von der alternden und sterbenden Stadt zu hören. 1976 zählte Wuppertal noch mehr als 400 000 Einwohner, 2012 waren es 337 000 - mit fallender Tendenz. Die düsteren Prognosen bis 2030 gingen von einem Rückgang auf 327 000 aus. Es war daher geboten, über den Abbau von Infrastruktur nachzudenken. Schwimmbäder wurden geschlossen, Schulen standen zur Schließung an. Das Jahrzehnt begann für die Wuppertaler mit düsteren Aussichten. Der Bevölkerungsrückgang schadete dem Image der Stadt.

Davon kann längst keine Rede mehr sein. Das neue Jahr 2020 werden mehr als 362 000 Wuppertaler begrüßen. Seit Jahren wächst die Bevölkerung - und das nicht erst seit den Jahren 2015 und 2016, als besonders viele Flüchtlinge in Wuppertal eine neue Heimat fanden. Wuppertal ist im zurückliegenden Jahrzehnt bunter und jünger geworden. Dafür hat vor allem der Zuzug aus anderen EG-Staaten, aus Ost- und Südeuropa gesorgt, während der Anteil der deutschen Bevölkerung weiter rückläufig ist.

 Als die Flüchtlinge 2015 nach Wuppertal kamen, zeigte sich die Stadt von ihrer besten Seite.

Als die Flüchtlinge 2015 nach Wuppertal kamen, zeigte sich die Stadt von ihrer besten Seite.

Foto: Fischer, A. (f22)/Fischer, Andreas (f22)

Das Modell Wuppertal
hat sich 2015 und 2016 bewährt

Als finanzschwache Stadt hat Wuppertal gerade bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen vorbildliche Arbeit geleistet. Die Wuppertaler glänzten bei der Hilfe vor allem für die Flüchtlinge aus Syrien nicht nur mit ihrer Gastfreundschaft und Willkommenskultur, sondern sie bewiesen auch organisatorische Stärke auf der Basis eines starken Gemeinschaftssinns. Die Arbeit der Stadtverwaltung und der ehrenamtlichen Helfer fand bundesweit Beachtung. „Lasst uns mehr Wuppertal wagen“, hieß eine Schlagzeile in der überregionalen Presse. Zahlreiche Helfer sind weiterhin im Einsatz, um Integration zu erleichtern. Auf Konflikte fördernde große Gemeinschaftsunterkünfte konnte die Stadt weitgehend verzichten, weil der überwiegende Teil der Flüchtlinge in privaten Wohnungen untergebracht werden konnte. Der Begriff Flüchtlingskrise war in Wuppertal zu keinem Zeitpunkt angebracht.

Das Projekt des Jahrzehnts
ist der Umbau des Döppersbergs

Im Dezember 2010 wurde mit dem Umbau am Döppersberg begonnen, nachdem vorbereitend bereits der Südstraßenring in Angriff genommen worden war. Die Bagger rissen zunächst den hässlichen Querriegel auf dem Bahnhofvorplatz ab. Im Sommer 2011 folgte die Brücke Immermannstraße, bevor dann im Herbst 2011 der Erdaushub für den Busbahnhof und die Tiefgarage begann. Spätestens da schwante den Wuppertalern, was für eine Großbaustelle in den kommenden Jahren auf sie zukommen würde. Die Sperrung der B 7 vom 21. Juli 2014 bis zum 10. Juli 2017 zwischen Brausenwerth und Kasinostraße war der heiß diskutierten Knackpunkt des Projektes. Die Sperrung erwies sich im Rückblick als goldrichtig, denn ohne sie wäre die Großbaustelle niemals im Zeitplan geblieben - zumindest was den Tiefbau und Straßenbau angeht.

Das Jahrzehnt ist vorüber, aber am Döppersberg wird noch immer gebaut. Verzögerungen gibt es beim Wupperpark Ost, der Schwebebahnstation und dem Köbohaus sowie bei der geplanten Nutzung der Bahndirektion. Die Pläne für ein Factory Outlet sind gescheitert, nun wird über eine Nutzung als Bürofläche diskutiert.

Wuppertal kommt in Fahrt - auf den Trassen alter Bahnstrecken

Für viele Wuppertaler, die weniger auf das Auto setzen, dürfte die Nordbahntrasse die größte Errungenschaft des Jahrzehntes gewesen sein. Mit dem Bau der Sambatrasse, der Nordbahntrasse und jüngst der Schwarzbachtrasse haben sich die Menschen viele Bereiche ihrer Stadt zurückerobert. Auf den Trassen kann gewandert und geradelt werden - das hält fit und jung und ist gut für die Umwelt. Auch beim Bau der Trassen hat sich das Modell Wuppertal bewährt, das auf Ehrenamtlichkeit und Gemeinschaftssinn aufbaut. Die Wuppertalbewegung hat der Stadt Wege in die Zukunft eröffnet.

Geht Wuppertal zum Ende des Jahrzehnts die Luft auf?

Impulse wie sie die Trassen für die Stadtentwicklung bedeuten, hätte Wuppertal noch mehr benötigt. Doch nicht alle Projekte haben eine solche positive Dynamik wie die Nordbahntrasse entwickelt. So ziehen sich die Planungen für das Pina Bausch Zentrum im Schauspielhaus seit Jahren dahin, was dem Erbe von Pina Bausch nicht gerecht wird. Man muss im Rückblick schon jetzt von einer verpassten Chance reden. Ob die Seilbahn eine verpasste Chance ist, steht nicht mehr zur Diskussion. Die Bürger haben mit großer Mehrheit gegen den Bau der Seilbahn entschieden. Für Wuppertal ist es jetzt weit wichtiger, dass die neue Schwebebahn endlich die hohen Erwartungen an Zuverlässigkeit und Alltagstauglichkeit erfüllt. Zur Ehrenrettung der Stadtwerke muss festgehalten werden, dass sie mit der Abschaltung des Kraftwerks Elberfeld und dem Ausbau der Fernwärme den größten Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel geleistet haben, und die Schwebebahn der Stadt noch mehr Autoverkehr erspart.

Die Stadtkasse ist kein Fass
ohne Boden mehr

Mit einem Minus von 200 Millionen Euro schloss die Stadt Wuppertal 2009 das Haushaltsjahr ab. Da konnte es ja nur noch besser werden - und zum Glück wurde es besser. 2017 konnte die Stadt Wuppertal erstmals nach 1992 wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Der Sparkurs hat es in sich: Ein Jahrzehnt lang wurde Personal in der Stadtverwaltung abgebaut und vor allem bei der Reparatur von Brücken, Treppen und Straßen gespart.

Die finanzielle Lage hat sich aber im Verlauf der vergangenen zehn Jahre zumindest soweit entspannt, dass sich die Stadt weiterentwickeln konnte und attraktiver geworden ist. Nach fast zehn Jahren der Hochkonjunktur ist der Entwicklungssprung nicht so groß wie möglich ausgefallen, aber Wuppertal hat sich zumindest das Potenzial bewahrt, den nächsten ganz großen Sprung zu schaffen. Es können, es müssen goldene 20er Jahre für die Stadt Wuppertal werden.

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