Lesung Das Glück gesucht und totgelacht

Wuppertal · Literatur Sibylle Bergs in der Musikapotheke.

 Julia Wolff und Luise Kinner.

Julia Wolff und Luise Kinner.

Foto: ANNA SCHWARTZ

Zwei kleine, runde Tische, jeweils ein Stuhl dazu. Und auf den Tischen je eine Lampe. Mehr haben Julia Wolff und Luise Kinner nicht gebraucht, um am Donnerstagabend ihr Publikum zu unterhalten. In der Musikapotheke in der Elberfelder Nordstadt, einem Ladenlokal, das die beiden Musikerinnen Gunda Gottschalk und Ute Völker vor Jahren in einen Ort der Kultur verwandelten, gewährten die beiden Schauspielerinnen Einblicke in die Literatur Sibylle Bergs.

„Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“ – so lautet der Titel des Debutromans von Sibylle Berg, erschienen im Jahr 1997, der an diesem Abend in Wuppertal eine Bühne fand. Er erzählt vom Leben von acht Menschen, jeder von ihnen durch ein bestimmtes Schicksal gezeichnet und allesamt auf der Suche nach ein wenig Glück und Lebensfreude. Sechs der acht Menschen stellten Wolff und Kinner in der Musikapotheke vor, aber nicht im typischen Vorlese-Stil; vielmehr verkörperten sie sie, gaben ihnen eine Stimme und ließen sie für einen Moment Teil der Gruppe von Menschen werden, die sich an diesem Abend in der Nordstadt zusammen fanden. Inszeniert wurde das Ganze von Regisseur Jakob Fedler, die Musikerinnen Gottschalk und Völker untermalten die Lesung mit Musik, erschufen so Atmosphären und unterstrichen die Gefühle, die die beiden Leserinnen beim Publikum hervorriefen. Mit einem Tippen schalteten Wolff und Kinner die vor sich stehenden Lampen an – ein symbolischer Start ihres Leseabends.

Im Wechsel lernte das Publikum die sechs Protagonisten kennen, die erst so wirkten, als hätten sie und ihre Lebensgeschichten nichts miteinander zu tun, deren Leben sich dann aber, Erzählung für Erzählung, immer mehr überschnitten. Manche Geschichten erzählten sie im Mono- und manche im Dialog, einige aus der Ich-Perspektive, bei anderen betrachteten und beschrieben sie die Handlung von außen. Zunächst ist da Vera, die zwar einen Ehemann, zugleich aber auch eine Affäre mit dem gescheiterten Rockmusiker und gefühlskalten Pit hat, mit dem sie nach Amerika reist. Ihr eigentlicher Ehemann Helge ist Pianist in einer Hotelbar, damit aber sichtlich unzufrieden. Vera und Helge haben eine gemeinsame Tochter, Nora, 17 Jahre alt und von Zuhause nach Barcelona weggerannt.

„Das Wort steht in der leeren Küche. Fröstelt. Schaut sich die Küchenzeile an, das Wort. Und verkriecht sich unter der Spüle. Stirbt daraufhin“ – so hieß es in einigen der ersten Zeilen, die vorgetragen wurden. Und so wie dem Wort erging es auch fast allen Protagonisten. Denn obwohl man als Leser zuerst annimmt, es würde sich beim Titel des Romans von Sibylle Berg um das Sprichwort handeln, wenn von „Totlachen“ die Rede ist, der irrt sich – denn am Ende sind tatsächlich alle Protagonisten bis auf Vera tot. Nur gelacht haben sie selbst nicht allzu viel – das Publikum des Leseabends dafür umso mehr.

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