Begrabt mein Herz in Wuppertal Das Geld für die Raumfahrt gehört ins Einwohnermeldeamt

Kolumnist Uwe Becker interessiert sich nicht für 50 Jahre Mondlandung.

 Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Foto: Joachim Schmitz

Als Neil Armstrong vor 50 Jahren, am 21. Juli 1969, in aller Herrgottsfrühe und ohne Not, als erster Mensch den Mond betrat, lag ich noch in meinem Bett und schlief, da ich wenige Stunden später zur Arbeit musste. Am 1. Juli hatte ich meine Ausbildung zum Großhandelskaufmann angetreten. Selbst wenn ich an diesem für viele Menschen historischen Tag nicht hätte arbeiten müssen, glaube ich kaum, dass mich die Übertragung einer Mondlandung mitten in der Nacht aus meinem warmen Bett gelockt hätte.

Man muss aber auch erwähnen, dass die Wissenschaftler schon länger davon ausgingen, dass auf dem Mond wohl keine Lebewesen herumspazierten, was für mich den Spaßfaktor solch einer Veranstaltung krass senkte. Hätte auch nur eine klitzekleine Chance bestanden, dass Mister Armstrong beim Betreten des Mondes ruckzuck ein paar Ohrfeigen von einem Alien bekommen hätte oder dass ein unvorstellbar gruseliges, riesiges Monster plötzlich aufgetaucht wäre, um den Astronauten mit einem Biss zu packen und vor den Augen aller Fernsehzuschauer zu verschlingen, dann hätte ich mir die gesamte Übertragung mit Sicherheit angeschaut.

Meine Sensationsgier und mein Zynismus waren schon damals sehr ausgeprägt. Ich konnte auch später nie einen Bezug zur Raumfahrt finden. Mit knapp 16 Jahren interessierte mich generell nichts, was in den Vereinigten Staaten von Amerika entwickelt, praktiziert oder verbreitet wurde. Weder dieses sommerliche Barbecue – ich hasse diese zum Grillen gereichten schlimmen, rauchigen Tunken, die aus Ketchup und Worcestersauce zusammengemixt werden – noch American Football, dem ich wenig Spaß abgewinnen kann, obgleich dieser seltsame Sport seit einigen Jahren auch hier zu Lande bei jungen Leuten Anklang findet. Zu dessen Übertragungen im Fernsehen zu nächtlicher Stunde Bier, Cola, Hamburger und Popcorn in großen Mengen verköstigt werden.

Der Hauptgrund für meinen Hass auf die USA war allerdings der Vietnamkrieg und die systematische Ausrottung aller Indianerstämme. Im Grunde war die Soul-Musik noch dass sympathischste an diesem Land. Bedanken möchte ich mich heute aber auch dafür, dass die Amerikaner uns von der Nazi-Diktatur befreit haben.

Ziemlich nett finde ich, dass die amerikanischen Präsidenten den Truthahn begnadigen, den sie traditionell zum Thanksgiving, eine Art amerikanisches Erntedankfest, von Industrieverbänden überreicht bekommen. Da habe ich als großer Tierliebhaber auch heute noch Tränen der Rührung in den Augen. Die nette Geste wurde allerdings erst in den 1990er Jahren eingeführt. Das heißt: John F. Kennedy, Abraham Lincoln, Richard Nixon, Jimmy Carter und Ronald Reagan haben das stolze Federvieh noch geschlachtet, gebraten und aufgefressen.

Ich kenne, um zum Thema zurück zu kehren, kaum vergleichbar sinnlosere Dinge als die Raumfahrt. Selbst in der Nase zu bohren oder stundenlang aus dem Fenster zu starren, könnte erlebnisreicher sein. Aber wie sagte schon Michael Collins, der Pilot, der nicht die Mondoberfläche betrat, weil einer ja in der Raumfähre bleiben musste, um aufzupassen, dass der Motor nicht ausgeht: „Das schönste war der Blick von dort auf die farbenprächtige Erde, der Mond war eher öde, übrigens!“. Da fragt man sich dann wirklich, warum man dafür so viel Geld ausgibt, wo es andernorts doch an allen Ecken fehlt.

Man stelle sich vor, das gesamte Geld, das in die Raumfahrt gesteckt wurde, wäre ins Einwohnermeldeamt von Wuppertal geflossen. Jeder Bürger hätte dann seinen persönlichen Sachbearbeiter, den er alle zehn Jahre einmal trifft, damit dieser den Personalausweis verlängert. Und natürlich unregelmäßig, wenn man seinen Umzug meldet. Die Mitarbeiter hätten dann wieder fast zehn Jahre lang bezahlten Urlaub. Ich kenne hier in der Stadt keinen Menschen, der sagen würde, dass der Amerikaner auf dem Mond gelandet ist, sei wichtiger, oder?!

Und es wäre dann immer noch genug Geld vorhanden, um auf dem Döppersberg so viele Bäume zu pflanzen, dass man eine Axt benötigte, um sich durch den dichten Wald einen Weg zu den Bahngleisen zu schlagen. Wissen Sie, was ich aber am verrücktesten finde? Der Bordcomputer von Apollo 11 hatte eine geringere Rechenleistung als ein iPhone. Wenn man also mit einem Handy sicher zum Mond kommt, kann man doch bestimmt sein Telefon zuhause lassen, wenn man nur nach Borkum will, oder? Schönen Urlaub!

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