Das Ehrenamt für die Gerechtigkeit

Michael Kuhn erzählt von seinen Erlebnissen als Schöffe am Amtsgericht.

Das Ehrenamt für die Gerechtigkeit
Foto: Andreas Fischer

Das Thema Recht und Gesetz spielt im Leben von Michael Kuhn eine große Rolle. Als Landesbediensteter beim Finanzamt in Barmen hat der 48-jährige Familienvater täglich mit Gesetzesfragen zu tun. Warum der Elberfelder zusätzlich noch als Schöffe tätig wurde, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr Kuhn, die Stadt Wuppertal ist gerade auf der Suche nach neuen Schöffen. Warum lohnt es sich aus ihrer eigenen Erfahrung heraus, sich zu bewerben?

Kuhn: Man erhält die Möglichkeit, ein Stück weit an der Gerechtigkeit mitzuwirken. Als Schöffe sitzt man mit einem Berufsrichter am Amts- oder Landesgericht zusammen - und zwar im paritätischen Verhältnis. Das heißt: Ein Mann und eine Frau stehen dem Richter beratend zur Seite. Wichtig dabei: Der Schöffe hat das gleiche Stimmrecht wie der oberste Richter.

Warum sind Sie Schöffe geworden? Was war Ihre Motivation?

Kuhn: Ich engagiere mich seit mehr als 30 Jahren im Vereinsfußball und habe in dieser Zeit auch zahlreiche Jugendteams begleitet. Irgendwann habe ich mich gefragt, wie man die Jugendarbeit auch von einer anderen Seite aus kennenlernen kann. Durch eine Bekannte bin ich dann auf die Schöffentätigkeit gestoßen, und da ich auch in meinem zivilen Beruf mit Recht und Gesetz zu tun habe, habe ich mich letztlich auch für dieses Amt beworben.

Was macht die Arbeit als Schöffe mit einem Menschen - sowohl mental als auch persönlich?

Kuhn: Am Anfang geht man sicherlich eher sorglos in die erste Verhandlung, doch das ändert sich relativ schnell. Denn es sind zum Teil ziemlich tragische Fälle dabei. Das fängt beim Schwarzfahren an und hört beim Kindesmissbrauch auf. Dabei ist es wichtig, immer neutral an die Sache ranzugehen und den Angeklagten nicht aufgrund seiner Vorgeschichte vorzuverurteilen, sondern sich erst während der Verhandlung ein Bild zu machen und dann hinterher zu versuchen, eine Einschätzung zu treffen.

Gibt es manchmal innere Konflikte, die man mit sich ausfechten muss?

Kuhn: Schwierig wird es, wenn es um Kindesmissbrauch geht, vor allem, wenn man selber Kinder hat. In solchen Fällen musst du dich zurücknehmen und den Sachverhalt erstmal auf dich wirken lassen. Dennoch waren für mich solche Geschichten neben körperlichen Verbrechen mit die schlimmsten Erfahrungen.

Wie zeitintensiv ist dieses Ehrenamt?

Kuhn: Grundsätzlich gibt es pro Monat meistens eine Verhandlung. Am Anfang des Kalenderjahres bekommt man 12 bis 13 Termine und wird einem bestimmten Richter zugeteilt. Für die einzelnen Verhandlungstermine wird man dann von seinem Arbeitgeber freigestellt. Es gibt aber auch den Fall, dass Termine ausfallen.

Konnten Sie in der Zusammenarbeit mit dem Richter selber etwas bewirken?

Kuhn: Das kam relativ selten vor, weil die meisten Fälle ziemlich eindeutig waren. Nichtsdestotrotz werden die Einschätzungen der Schöffen angehört und auch ernstgenommen.

Gibt es Fälle, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Kuhn: Ich erinnere mich gut an einen 14-Jährigen, der ohne erkennbaren Grund Autospiegel abgetreten hat. Und es gab einen jungen Mann mit Migrationshintergrund, der gerade in Deutschland angekommen war und sofort von seinen Landsleuten zum Drogendealen angestiftet wurde.

Was muss man beachten, um Schöffe zu werden?

Kuhn: Entscheidend ist, dass man bisher straffrei durchs Leben gegangen ist. Und wenn man sich zum Beispiel im Jugendstrafverfahren engagieren will, sollte man vorher schon mal etwas in einem solchen Bereich — sprich ehrenamtliche Jugendarbeit — gemacht haben. Es sollte zumindest ein Bezug vorhanden sein.

Wie groß ist der Aufwand, sich das juristische Wissen anzueignen?

Kuhn: Zwar werden Seminare von verschiedenen Institutionen angeboten, allerdings sind diese nicht verpflichtend. Ich habe vorab mal die Gelegenheit gehabt, ein Jugendgefängnis zu besuchen, was mir bei der Ausführung meiner Tätigkeit mit Sicherheit auch geholfen hat.

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