Darum haben die Kirchen in Wuppertal nicht ausgedient

Die Feier zum Reformationstag ist ein Beleg für die Bedeutung der christlichen Glaubensgemeinden.

Die Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Wuppertal, Ilka Federschmidt, hat in der Stadthalle zugegeben, ein bisschen kleingläubig gewesen zu sein. Es ging um das Reformationsfest am Dienstag, es ging um die große Angst der Protestanten vor einer deftigen Blamage. Was, wenn die Stadthalle nur zur Hälfte gefüllt werden würde? Was sagten dann die Medien? Auch Werner Jacken, der Sprecher des Kirchenkreises, fürchtete Hohn und Spott seitens der Journalisten.

Unbegründet. Denn erstens wären auch 600 oder 700 Gäste ein würdiges Publikum gewesen. Und zweitens übertraf das Fest alle Erwartungen. „Wir mussten Leute nach Hause schicken. Das macht uns traurig, aber auch stolz“, hieß es letztlich. Weit mehr als 2000 Gäste waren in die Stadthalle gekommen. Im Saal und auf der Galerie gab es nicht einmal mehr Stehplätze. Die Predigt, die Reden, die musikalischen Vorträge wurden per Videokamera in den Mendelssohn-Saal übertragen. Es war ein offenbar unerwarteter Erfolg. Aber die gut zwei Stunden in Wuppertals bester Stube haben bewiesen, dass die Kirchen noch Strahlkraft haben. Nicht nur an Heiligabend, wenn die Christmetten und Gottesdienste in katholischen und evangelischen Kirchen überfüllt sind.

Gemessen an nackten Zahlen ist der Zuspruch zum Reformationsfest kein allzu großes Wunder. Zwar kehrten in den vergangenen Jahren auch viele Wuppertaler den christlichen Kirchen den Rücken zu und wird eine beträchtliche Zahl von Kindern nicht mehr getauft. Aber fast 30 Prozent aller Wuppertaler sind Protestanten, jeder vierte Bürger dieser Stadt gehört der katholischen Kirche an. Das heißt, dass weit mehr als 100 000 Wuppertaler evangelischen Glaubens sind. Das relativiert die Zahl von 2500 Besuchern, schmälert den Erfolg und die Bedeutung des Festes aber nicht.

Vielmehr scheinen die Protestanten in der Stadt darauf reagiert zu haben, dass ihre Kirche in den vergangenen Monaten in Deutschland insgesamt und zuletzt auch vermehrt in Wuppertal ihre Zurückhaltung aufgegeben hat. 500 Jahre Reformation waren offenbar der überfällige Anstoß dazu, auf den eigenen Glauben hinzuweisen.

Dabei haben die Protestanten vor allem in Wuppertal allen Grund, erhobenen Hauptes über ihre Kirche zu sprechen. Die Barmer theologische Erklärung von 1934 gegen das totalitäre Regime in Deutschland gilt noch heute als eine der wichtigsten Positionierungen der Kirche überhaupt. Und auch lokal wirkt der Protestantismus nicht nur, solange die Pfarrerin von der Kanzel spricht. Ohne die fast 30 Kindergärten in evangelischer Trägerschaft sähe die Bilanz Wuppertals im Großstadtvergleich noch viel deprimierender aus. Das Krankenhaus Bethesda sowie die Stiftung Tannenhof spielen im Gesundheitssystem der Stadt eine wichtige Rolle.

Das gilt so auch für die katholische Kirche. Ihr gehören in Wuppertal immer noch fast 100 000 Menschen an. Das wird in der Regel zwar nur an den großen Feiertagen in den Kirchen der Stadt deutlich. Aber für das gesellschaftliche Leben Wuppertals sind die rund 20 Kindergärten, die Krankenhäuser St. Petrus und St. Josef und die Senioreneinrichtungen von eminenter Bedeutung. Dass auch die Katholiken ihr Wirken für Wuppertal zumeist vornehm verschweigen, mag zu der Annahme beigetragen haben, dass die großen Kirchen selbst in einer Stadt ausgedient haben, die sich mit St. Laurentius als Schutzpatron schmückt.

Doch das ist mitnichten so. Die Kirchen wirken. Und sie haben Anziehungskraft, wenn sie etwas zu sagen haben. Das war am Dienstag der Fall, als Ilka Federschmidt zu mehr als 2000 Gläubigen darüber sprach, „Was macht, dass ich so fröhlich bin?“.

Und es ist auch so, wenn der Pastoralreferent der katholischen Citykirche, Werner Kleine, wenn auch vor erheblich kleinerem Publikum auf dem Berliner Platz seine immer kurzweiligen, teils provokanten Reden hält.

Wenn Worte wirken und Haltung erkennbar ist, dann braucht es offensichtlich nicht einmal mehr den Hinweis auf die mehr als 1000 Menschen, die kirchliche Einrichtungen in Wuppertal beschäftigen. Wenn sie deutlich machen, wofür sie stehen, warum sie glauben, dass ihr Glaube gebraucht wird, dann sind die christlichen Kirchen relevant. Anders sind die Besucherscharen am Dienstag in der Stadthalle kaum zu interpretieren.

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