Deutschland, Hofaue Damit die Hofaue wieder eine attraktive Adresse wird

Zentrum. · Immobilien-Eigentümer wollen eine Standort-Gemeinschaft gründen, damit die Straße wieder ihre alte Pracht entfaltet.

 Johannes Busmann möchte mit einer Immobilien-Standort-Gemeinschaft die Entwicklung der Hofaue vorantreiben.

Johannes Busmann möchte mit einer Immobilien-Standort-Gemeinschaft die Entwicklung der Hofaue vorantreiben.

Foto: Fischer, Andreas

Die Fassaden lassen erahnen, wie wohlhabend Elberfeld einst gewesen sein muss. Die Häuser haben Namen. Sie heißen Kolkmann, vom Baum oder Fudickar, und sie beherbergten die Herzkammer einer Industrie, die Elberfeld und Barmen reich machte, steinreich sogar.

Das ist lange her, und die Jahre sowie Ignoranz und dilettantische Stadtentwicklungspolitik haben an der Hofaue genagt. Die Fassaden sind immer noch prachtvoll, aber in Teilen sanierungsbedürftig, parkende Autos machen die schmale Straße noch schmaler, Bürgersteige verdienen die Bezeichnung kaum, und architektonischer Glanz alter Zeiten kämpft mit lustlosen Neubauten um Wahrnehmung. Die spärliche Gastronomie ist ab einer bestimmten Uhrzeit jeden Tag zumindest teilweise in der Hand von zumeist jungen Drogenhändlern, die ihre Ware unter anderem im Erdreich der viel zu wenigen Blumenkübel lagern und sich nicht einmal mehr die Mühe machen, das in irgendeiner Weise zu verbergen.

250 Unternehmen bildeten das Zentrum des Textilhandels

Die Hofaue ist im Jahre 2020 nur noch ein Schatten ihrer selbst. Es ist nicht mehr viel zu sehen von der Pracht, die sie einmal ausstrahlte, als bis zu 250 Unternehmen sie zum Zentrum des Textilhandels auf dem europäischen Festland machte.

Und doch: „Ich habe es immer als Glück empfunden, aus dem großen Fenster auf die Hofaue zu schauen“, sagt Johannes Busmann. Dem Verleger und Professor an der Bergischen Uni gehört eine Etage des Hauses mit der Nummer 63. Aus seiner Liebe zu Wuppertal hat Busmann nie einen Hehl gemacht, aber das Herz dieser Liebe schlägt genau dort, wo die Fassaden Elberfelds Weltstadtvergangenheit belegen, wo heute Designer, Galeristen, Titanhändler und ein paar wenige Einzelhändler ihre Geschäfte machen. Wo das Bordell um die Ecke an der Wesendonkstraße aufs Gemüt schlägt, wo unverhohlen Drogen verkauft werden.

Es ist dieser Widerspruch, den einige Anwohner nicht mehr hinnehmen wollen. Sie sind deshalb dabei, eine sogenannte Immobilien-Standort-Gemeinschaft (ISG) zu gründen. Sie soll die Basis dafür bilden, dass Eigentümer und Stadt sich gemeinsam um eine Zukunft dieser ruhmreichen Straße bemühen.

Am Mittwoch sind fast drei Dutzend Eigentümer in die Räume Busmanns gekommen. Sie müssen mitmachen, wenn es eine ISG geben soll. Sagen mehr als 33 Prozent der Grundstückseigner an der Hofaue nein, dann wird es nichts mit dem organisierten Aufbruch. Die Stimmung deutet allerdings das Gegenteil an. Die Lage der Immobilienbesitzer an der Hofaue ist schwierig. Eine Dame spricht gar von Angst, die sie bei dem empfindet, was sich dort zuweilen bis spät in die Nacht abspielt. Dunkle Gestalten, Lautstärke, das Bordell um die Ecke – das sind nicht die Zutaten eines angesehenen Stadtviertels. Es sind vielmehr die Nachwirkungen einer fatalen Entscheidung.

1962 hatte der Stadtrat beschlossen, die Hofaue zum Rotlichtviertel zu erklären. Das letzte Bordell hat Bestandschutz, seit der Rat seine Entscheidung 1989 revidierte. Heute steht es einer Entwicklung zum Besseren im Wege.

Aber davon will Michael Brämer sich nicht entmutigen lassen. Er ist Teil einer Eigentümergemeinschaft und vor 15 Jahren aus Barmen nach Elberfeld gekommen. Seine Hoffnungen auf ein Leben in einem schönen Quartier haben sich nicht erfüllt. Für Brämer ist klar, dass er anpacken will, auch wenn und obwohl es Geld kostet.

Die Stadt hat bereits positive Erfahrungen mit ISGen gemacht

Denn solche ISGen gibt es nicht zum Nulltarif. Sie bringen rechtliche Pflichten mit sich. Ihre Lebensdauer ist grundsätzlich auf maximal fünf Jahre begrenzt. Jeder Grundeigentümer ist in der Regel mit einem Prozent und Jahr des Richtwertes seiner Immobilie dabei. Vertragspartner ist die jeweilige Stadt. Im Falle der Hofaue birgt das den Vorteil, dass Wuppertal mit solchen Gemeinschaften bereits Erfahrungen hat. Sehr gute sogar. „Die ISG Werth ist eine der erfolgreichsten in Nordrhein-Westfalen, wenn nicht sogar in ganz Deutschland“, sagt Frank Meyer. Der Planungsdezernent begleitet die Gemeinschaften Werth und Poststraße. Die Stadt unterstützt deren Arbeit nicht nur, sondern sie investiert auch ein Vielfaches dessen in die Straßen, was die Eigentümer aufbringen.

Wuppertal hat sich vorgenommen, in den nächsten Jahren insgesamt 40 Millionen Euro in die Innenstädte Elberfelds und Barmens zu investieren. Es geht letztlich darum, Aufenthalts- und Lebensqualität zu verbessern. Das ist auch an der Hofaue dringend geboten. Denn spätestens, seit die legendäre Beatbox Mitte der 1990er Jahre geschlossen wurde, ist die Straße aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden. „Da habe ich früher getanzt“, sagt Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD). Er verspricht den Hofauern die Unterstützung des Rathauses. „Es ist typisch für Wuppertal, dass sich Privatleute für ihre Stadt einsetzen“, sagt er. Er selbst sei ein bekennender Fan der Hofaue. „Nicht nur wegen der Beatbox früher, sondern weil wir hier Geschichte atmen können.“

Genau an diese Geschichte wollen die Initiatoren der Immobilien-Standort-Gemeinschaft anknüpfen – wenn sie denn gegründet wird. Mitte des Jahres wollen Busmann und seine Mitstreiter soweit sein, den Antrag einreichen zu können. Und mit ein wenig Glück bekommt die Hofaue dann in absehbarer Zeit, was sie braucht, um noch stärker an ihre prachtvollen Zeiten erinnern zu können: mehr Licht, mehr Sicherheit, mehr Sauberkeit, mehr Leben.

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