Trotz hoher Infektionszahlen Wuppertal will Modellregion für kontrollierte Öffnungen werden

Update | Wuppertal · OB Uwe Schneidewind ist trotz der hohen Inzidenz überzeugt, dass Wuppertal das Potenzial hat, Modellstadt für kontrollierte Öffnungen durch Ausweitung der Tests und Impfungen zu werden.

 Wie in Tübingen könnte es auch in Wuppertal laufen. Die Stadt ist offen für Experimente und könnte sich vorstellen, Modellregion zu werden.

Wie in Tübingen könnte es auch in Wuppertal laufen. Die Stadt ist offen für Experimente und könnte sich vorstellen, Modellregion zu werden.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Wuppertal will einen Sonderweg gehen, um möglicherweise frühzeitig Lockerungen möglich zu machen. Krisenstabsleiter Johannes Slawig sagt: „Wir werden uns zusammen mit Solingen und Remscheid für einen Modellversuch bewerben.“ Nach dem Vorbild der Modellstadt Tübingen, könnten dann bei einer Zustimmung durch das Land auch in Wuppertal etwa Besuche in Restaurants, Theatern, Museen und Geschäften für Menschen möglich werden, die einen negativen Corona-Test vorweisen können.

Fraglich ist, ob Wuppertal mit seinem hohen Inzidenzwert (Stand Donnerstag, 148) für den Modellversuch infrage kommt. Slawig: „Wir kennen die Auswahlkriterien nicht. Allerdings können wir jetzt schon eine hohe Zahl von Schnelltestungen vorweisen.“ Im Stadtgebiet gebe es mittlerweile 100 Teststellen darunter 70 Ärzte und zehn Apotheken. Jeden Tag werden in Wuppertal bis zu 2700 Menschen getestet, Tendenz steigend. Aktuell ergibt jeder 100. Schnelltest ein positives Ergebnis.

Impftermine für Menschen
mit Vorerkrankungen

Noch eine hoffnungsvolle Nachricht des Stadtdirektors: „Wir werden eine Impfbrücke einführen.“ Bleiben zum Ende des Tages Impfdosen übrig, erhalten jeweils zehn angemeldete Patienten aus der Risikogruppe eine SMS auf ihr Handy und können direkt zu- oder absagen, bis alle Dosen vergeben sind. Slawig betonte, es könnten nur Menschen zum Zuge kommen, die sich in der aktuell impfberechtigten Zielgruppe befinden. „Das wird keine Lotterie“, sagt er. In den nächsten Tagen soll es zur Anmeldung für die Impfbrücke ein Formular auf der Homepage der Stadt geben.

Erst am Mittwoch beklagte sich die Stadt über 2000 Impfdosen, die sie unter die Bevölkerung hätte bringen können, aber dies aus rein formalen Gründen nicht tun durfte. Der Grund: Das Land hatte grünes Licht für die nächste Impfgruppe noch nicht gegeben. Slawig sagt, sie hätten die zunehmende Frustration der Menschen mit Vorerkrankungen und aus Risiko-Berufsgruppen erlebt. Er erklärt: „Es wäre besser, wenn das Land den Kommunen mehr Flexibilität einräumen würde. Wir könnten viel mehr verimpfen, wenn man uns lässt.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh hatte das Land als „verantwortungslos“ kritisiert: „Jeder Tag, an dem nicht so viel wie möglich geimpft wird, riskiert die Gesundheit und letztendlich das Leben der Menschen.“ Der Landtagsabgeordnete Josef Neumann mahnte: „Es darf zu keinen weiteren Verzögerungen wie in Wuppertal und anderswo kommen.“ Die SPD fordere die Einberufung eines NRW-Impfgipfels.

Am Mittwochabend hatte das Land die Öffnung für die Prioritätsgruppe 2 bekannt gegeben. In einer Mitteilung des Gesundheitsministeriums heißt es: „Die Kommunen haben die Beinfreiheit, vorhandene Impfkapazitäten auch zu nutzen. Wir wollen Strecke machen.“ Vordringlich sollten Personen mit Vorerkrankungen Impfangebote erhalten. Ab sofort können sich in Wuppertal chronisch Kranke impfen lassen. Sie müssen sich selbst um einen Termin kümmern und einen Nachweis über ihre Krankheit erbringen. Ab dem 6. April sollen auch Termine für 70- bis 79-Jährige freigegeben werden (angefangen mit den ältesten Jahrgängen). Am 8. April soll das Immunisieren für diese Altersgruppe beginnen.

Der Vorstoß der Stadt, sich als Modellstadt nach dem Vorbild Tübingens zu bewerben, findet viel Zustimmung. So erklärte Caroline Lünenschloss, Fraktionsvorsitzende der CDU: „Das ist eine große Chance für Wuppertal.“ Ein solches Modell schaffe einen attraktiven Anlass für freiwillige Tests. Der CDU-Stadtverordnete Thomas Hahnel-Müller verwies auf bereits vorhandene Kontaktverfolgungssysteme und erklärte sich überzeugt, dass Wuppertal „genügend leistungsfähige Unternehmen im IT- und Dienstleistungsbereich“ hat, „um das gemeinsam mit den zu öffnenden Einrichtungen zu wuppen“.

Keine Entscheidung über
weitere Einschränkungen

Auch bei der FDP ist man angetan: „Aus dem Landesprojekt ,Sicheres Öffnen‘ ergeben sich herausragende Chancen“, erklärte Alexander Schmidt, Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion. Er nennt die Initiative eine „Kehrtwende“ der Stadt, die „ebenso überraschend wie erfreulich“ sei. Zuvor sei das Credo der Stadtspitze Verhindern, Schließen und Ausgangssperren gewesen. „Wir fordern daher mit Nachdruck die Stadtspitze auf, mit dem Land in Verhandlungen zu treten und dort eigene Ideen vorzutragen, um den Zuschlag zu erhalten.“ Zudem werde sich die Partei dafür einsetzen, dass die Öffnung mit Tests landesweit flächendeckend ermöglicht wird.

Susanne Herhaus, Fraktionsvorsitzende der Linken, lobt die Bewerbung ebenfalls: „Dies würde für die Menschen in Wuppertal eine große Erleichterung bedeuten.“ Bürger und Gewerbetreibende, denen schon so viel abverlangt wurde, brauchten eine Perspektive.

In Tübingen läuft der Modellversuch bereits seit einer Woche. An einer von neun Stationen in der Innenstadt können sich die Bürger testen lassen und erhalten bei einem negativen Ergebnis ein Tagesticket für die Innenstadt der 90 000-Einwohner-Stadt. Dort sind Restaurants, Geschäfte und Museen geöffnet.

Derzeit wird diskutiert, ob ein Ansturm durch Auswärtige über die Ostertage ein Problem darstellen könnte. Bundesweit wollen viele Städte nachziehen – als größte Stadt denkt München darüber nach.

Über mögliche weitere Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie hat der Krisenstab in Wuppertal bisher noch keine Entscheidung getroffen. Er will abwarten, was das Land nach den Gesprächen der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten in eine neue Coronaschutzverordnung schreibt.

Die Stadt hatte erst kürzlich wegen der hohen Inzidenzzahlen eine Verschärfung beschlossen, wozu der Distanzunterricht an weiterführenden Schulen mit Ausnahme der Abschlussklassen gehört. Kontakte in der Öffentlichkeit und im Privatbereich sind seither wieder nur für Personen eines Haushalts und eine weitere Person erlaubt, wobei Kinder bis 14 nicht mitzählen.

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