Corona Corona-Tagebücher: Jugendliche filmen für die gemeinsame Zeit danach

Gerade junge Menschen sind von den Kontaktverboten stark betroffen: Was sie erleben, berichten sie auf Initiative des Medienprojekts.

 Aris wohnt abseits der Stadt.

Aris wohnt abseits der Stadt.

Foto: Corona Diaries Wuppertal Medienprojekt Aris/Medienprojekt Wuppertal

Was macht man, wenn man plötzlich fast nicht mehr rausgehen darf? Diese Frage stellen sich nicht nur Jugendliche, aber diese Gruppe ist vom Kontaktverbot besonders betroffen. Sie befinden sich in einer Phase im Leben, in der man rausgeht, Freunde trifft und neue Menschen kennen lernt. Das Medienprojekt Wuppertal hat deshalb das Projekt „Corona-Diaries. Junge Filme gegen den Untergang“ ins Leben gerufen. „Auslöser war die Schulschließung am Montag vor einer Woche“, sagt Andreas von Hören, Geschäftsführer des Medienprojektes Wuppertal. „Wir haben uns überlegt, wie kann man trotzdem filmen, wenn alle Abspielmöglichkeiten wegfallen.“

Schnell habe man 20 Kameras ausgegeben und die Jugendlichen gecoacht. Viele filmten aber auch mit dem Handy. „Der Ansatz ist: Erzähl nichts von außen, erzähl von dir“, sagt Andreas von Hören. In der Drucksituation möchte das Projekt „Corona Diaries“ den Jugendlichen eine Stimme verleihen. „Etliche Menschen sind noch draußen unterwegs, weil sie berufstätig sind und haben mehr Sozialkontakte als Jugendliche“, sagt von Hören. Es sei eine besondere Leistung der Jugendlichen zu reflektieren, dass sie wahrscheinlich nicht schwerwiegend daran krank werden – und trotzdem solidarisch mit den Alten zu sein.

Die bislang 34 bei YouTube hochgeladenen Videos sind eineinhalb bis fünf Minuten lang und zeigen ganz unterschiedliche Facetten des Lebens. Berührend ist das Interview von Cedric mit seiner Mutter. „Ich mache mir Sorgen, dass ich den Virus bekomme und wie der Verlauf bei mir sein könnte. Das beschäftigt mich schon ziemlich“, sagt Cedrics Mutter auf die Frage, ob sie Probleme habe. Cedrics Mutter gehört zur Risikogruppe. „Man sagt, wenn man Asthma hat und der Virus eine Lungenentzündung verursacht, dann könnte es schon mal schwierig werden“, sagt sie. „Davor habe ich ziemlich Schiss.“

Mira und Lotta sind auf
der Insel Texel gestrandet

Jugendliche, die sich im Ausland aufhalten, schildern wie sie die Situation empfinden. Miri und Lotta sind auf Texel gestrandet. Sie sitzen in einer Ferienwohnung und kommen erstmal dort nicht weg. Sie fühlen sich wie in einer Blase. „Bislang gibt es keinen Infizierten auf Texel. (…) Da fühlt man sich aber schon so, als könne einem das alles nichts anhaben.“ Fabian hält sich gerade in Kanada auf und nimmt den Zuschauer mit in einen Supermarkt, wo er die Regale erstaunlich voll findet. „Ich bin froh, dass ich hier bin, aber bevor Deutschland seine Grenzen dicht macht, wäre ich doch gerne wieder zuhause“, sagt Fabian.

Der 20 jährige Aris leidet unter der Kontaktsperre. Er wohnt auf einem Hof, der am „Arsch der Welt“ liegt. Er überlegt, ob es schon hamstern ist, wenn er vom Einkaufen ein paar Sachen mehr mitbringt. Andererseits erzählt Aris, dass er eine Packung Toast schon in der Hand hatte: „Dann habe ich gesehen, da kommt gerade eine Familie um die Ecke und die haben nach Toast gesucht. Da ich die letzte Packung denen gegeben. Wir haben noch eine ganze Packung da.“ Er zeigt die Vorräte seiner Familie bestehend aus Konserven, Mehl, Nudeln und Kaffee. „Man sollte immer etwas da haben“, findet Aris. Im Winter könne man manchmal nicht weg, wenn es schneit.

Pascal muss seinen 18. Geburtstag anders als geplant feiern. Nur ein Freund und seine Freundin verbringen den Abend mit ihm. Dann sinniert Pascal darüber, was einzelne Nationen bunkern. „Ich finde das ganz witzig. Die Holländer bunkern alle das Gras. In Frankreich sind es die Kondome und der Wein. Ich meine, die haben auch ihren Spaß. In Amerika werden natürlich die Waffen gebunkert. (…) Aber die Deutschen die haben weder Spaß noch können sich verteidigen. Die wollen lieber sch... und Nudeln fressen.“

Filme zeigen, was die Jugendlichen gerade denken

Helene beobachtet hingegen, dass alle Leute viel dankbarer sind für das, was noch ist. „Jetzt würde man gerne die Lehrer vor sich haben, die einem Themen erklären, die man bearbeiten soll. Man vermisst es wirklich und wird dadurch viel dankbarer. Dass ist wirklich hier zu spüren, dass die Menschheit hier zumindest bei uns extremst viel dankbarer wird. Das finde ich schön, denn das fehlt sonst ein bisschen.“

Das Medienprojekt Wuppertal will „einen langen Atem haben“ und die „Corona Diaries“ fortschreiben. „Bislang gibt es erst zwei Tote in Wuppertal, aber irgendwann wird es in die Familien dringen“ schätzt Andreas von Hören. Das Fernziel sei es, einen Kinofilm aus den einzelnen Episoden zu machen, damit man das schauen kann, wenn man wieder zusammen schauen kann. Schon jetzt empfindet er das Projekt als Gewinn, sagt von Hören. „Es zeigt, was unsere Kinder gerade denken.“

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