Kommentar Corona im Sozialen: Wo Abstand ins Abseits führt

Wuppertal · Die Schwächsten unserer Gesellschaft werden in der Corona-Krise noch weiter abgehängt, sagt WZ-Redakteur Daniel Neukirchen. An dieser Stelle wird Distanz gefährlich.

 WZ-Redakteur Daniel Neukirchen

WZ-Redakteur Daniel Neukirchen

Foto: Schwartz, Anna (as)

Bei Schiffsunglücken gibt es einen Verhaltenskodex, der sich über Jahrhunderte gehalten hat: Frauen und Kinder zuerst. Die Idee ist einfach: Hilfsbedürftige Menschen sollen vor allen anderen in die Rettungsboote gelangen. Dass die Schwachen gar nicht immer die Frauen sind, für diese Erkenntnis brauchte man ein paar Jahrhunderte. In der Coronakrise sinken nun viele Schiffe, aber gerade für die Hilfsbedürftigen sind oftmals gar keine Rettungsbote vorgesehen. Die Pandemie trifft die Schwächsten am härtesten und lässt dieneigen verlieren, die sowieso schon nicht auf der Gewinnerstraße zu Hause waren. Das lässt sich in vielen Bereichen erkennen. An den Schulen kämpft man dermaßen mit der Rückkehr zum regulären Unterricht, dass vielerorts keine organisatorische Kraft mehr für einen gesonderten Förderunterricht bleibt. Sozialarbeit wird gleichzeitig schwerer. Es fehlen Gruppenagebote, die aufsuchende Arbeit muss auf Distanz passieren. Dabei ist die soziale Nähe in vielen Bereichen so enorm wichtig: in der Integration, in der Inklusion, in der Arbeit mit Süchtigen, Wohnungslosen und anderen sozial Benachteiligten. Hier entstehen Schäden, die nicht so unmittelbar sichtbar sein mögen wie das fehlende Gehalt und die geschlossene Kneipe, aber auch hier wütet Corona. Und auch hier müssen wir uns Gedanken machen. Denn Abstand und Distanz auf allen Ebenen ist im Sozialen kein haltbarer Dauerzustand.

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