Christian Boros: Ein Gewinner der Krise

Werber und Kunstsammler Christian Boros spricht über Kunst, Wirtschaft, und Wuppertal.

Herr Boros, 1994 kam Ihr großer Durchbruch mit der Anzeigenkampagne für den Musiksender Viva. Zu Ihren Kunden gehören Coca Cola, Siemens oder die Guggenheim Museen. Was haben Sie im Krisenjahr 2009 vor?

Christian Boros: Sehr viel. Dieses Krisengequatsche kann ich nicht mehr hören - es ist lähmend. Viele Unternehmen werden jetzt neu justieren müssen, eine Zäsur machen - das ist eine Riesenchance - weltweit.

Boros: Fast jeder Auftraggeber wird seine Auftragnehmersituation überdenken. Das heißt: Jeder der Geld ausgibt, überlegt sich, ob er beim richtigen Partner ist. Von der Krise getroffen sind die dicken Agenturen mit 400 Mann. Jetzt, wo die Konzerne sparen müssen, bekommen kleinere, inhabergeführte und dadurch flexiblere Unternehmen, wie wir eines sind, die Möglichkeit, Beziehungen zu knacken.

Boros: Ja. Ich will dieses Jahr stark akquirieren. Das Berliner Büro wird ausgebaut. Ich habe in Berlin ein Gebäude gekauft, direkt am Wasser. Hier habe ich die Wupper vor der Nase, das liebe ich einfach sehr. Daneben wurde - das ist ganz neu - ein New Yorker Büro in die Boros-Gruppe integriert. Und das gleiche passiert hoffentlich Ende des Jahres in Hongkong.

Boros: Wenn ich gewusst hätte, dass es so erfolgreich wird, hätte ich Angst bekommen, mich selbständig zu machen. Das geht nur mit einer gehörigen Portion Naivität und Unkenntnis darüber, was auf einen zukommt. Das ist ähnlich wie mit meinem Bunker in Berlin. Wäre mir bewusst gewesen, was alles auf mich zukommt, hätte ich es nicht gemacht, hätte ich es aber nicht gemacht, wäre es schade gewesen.

Boros: Das hat alles miteinander zu tun. Kunst und unternehmerisch tätig sein sind keine Gegensätze. Vielmehr agieren gute Künstler jeden Tag, wie gute Unternehmer es tun. Künstler müssen Neuland betreten, etwas erfinden, etwas tun, was sie für richtig halten - selbstbestimmt. Wie viele Unternehmer stehen morgens auf und bekommen vorgeschrieben, was sie den ganzen Tag zu tun haben: vom Betriebsrat, der Bank, den Kunden. Ein guter Künstler malt nicht ein rotes Bild, weil der Markt es so will, sondern er macht etwas, was er selbst meint tun zu müssen. Von dieser Haltung lerne ich.

Boros: Für mich sind die Werke Werkzeuge, Vehikel, die mir helfen, mein Dasein besser zu verstehen: Was geht ab, was passiert gerade.

Boros: Das ist die zentrale Frage schlechthin. Ich glaube, ich will die Sachen verstehen und im besten Falle verinnerlichen. Wenn Kinder etwas nicht verstehen, dann nehmen sie es in den Mund, um die Sachen zu begreifen, zu verstehen. Ich kann mir die Kunst nicht irgendwo einführen, also kaufe ich sie, verleibe sie mir auf diese Art ein.

Boros: Ich glaube, das ist der große Respekt gegenüber einem Berufsstand, dem des Künstlers.

Boros: Ein Bild ist nichts anderes als eine Meinung. Wenn man es kauft, dann huldigt man dieser Meinung. Diese Noblesse schmückt natürlich, weil es eine sehr freigeistige Haltung ist. Man kann auch ohne Kunst Geschäfte machen. Wenn aber große Konzerne Kunst kaufen, dann zeigen sie, dass sie sehr respektvoll mit Meinungen anderer Menschen umgehen.

Boros: Das tut jeder Betrachter selbst.

Boros: Indem es immer mehrere gibt, die urteilen - wie der Künstler etwas sieht, ist für die Gesellschaft relevant, oder eben nicht. Kuratoren, Sammler, Galeristen, Kritiker. Eine Community von kleinen Meinungmachern.

Boros: Ich gehöre zu der Gruppe der Täter, die etwas verändern.

Boros: Ja. Wuppertaler Sammler sind mit Werken vertreten, darunter auch Bazon Brock, seinetwegen kam ich nach Wuppertal.

Boros: Radikale private Haltungen von dem, was mich gerade bewegt. Es ist Kunst der Gegenwart. Kunst, die fast ausschließlich frisch aus den Ateliers kommt, Neuerwerbungen für meine Sammlung.

Boros: Hätte ich einen Bunker kaufen wollen, hätte ich den am Platz der Republik gekauft, weil ich dieses Gebäude sehr schön finde (lacht). Auch der Bunker auf dem Ölberg gefällt mir. Aber ich wollte nicht Beton kaufen, sondern einen Ort schaffen, der mir eine geeignete Plattform bietet. Einen Ort, an dem Tausende von Menschen sich mit mir das anschauen, das teilen, was mir wichtig ist. Da ist eine Metropole wie Berlin geeigneter.

Boros: In Berlin. Aber ich werde weiterhin pendeln. Die Achse Wuppertal-Berlin wird bleiben.

Boros: Immer. So eine Ausstellung ist wie das Zeigen seiner Unterhose. Die Kunst ist immer auch ein Spiegel der Seele, zeigt, was hinter dem Sammler steckt.

Boros: Auf den Titelblättern der Magazine stand geschrieben, das Beuys ein Scharlatan ist. Die ganze Republik hat sich aufgeregt, dass er Fett in die Ecke geklatscht hat. Ich fand toll, dass es jemand schafft, so eine Beachtung zu finden

Boros: Ich komme aus Köln. In einer großen Stadt genügt man sich, weil man groß ist. An Wuppertal mochte ich immer, dass es eine kleinere Stadt ist, nichts Selbstgefälliges innehat. Je unbedeutender etwas ist, desto mehr geben sich die Menschen Mühe, vom Kleinen ins Große zu kommen. Ich hab mal eine Untersuchung gemacht, wie viele Menschen, die heute in der Nation etwas bedeuten, aus großen oder kleinen Städten kommen. All diese "Tätertypen", wie ich sie nenne, kommen aus kleineren Städten. Die Menschen haben eine große Antriebskraft.

Boros: Ausbaufähig. Viele kreative Schaffer sind hier, kommen von hier. Tom Tykwer, der Marketingleiter von Boss, der kommt aus dem Briller Viertel. Der berühmteste Auktionator der Welt, Tobias Meyer, der für mehr als 100 Millionen Euro den Picasso versteigert hat - der Popstar der Auktionshäuser - hat auf dem Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium gelernt. Wahnsinnig viele Leute kommen aus dem Tal. Wer auch immer mir weltweit begegnet, in einer Gruppe gibt es immer jemanden, der etwas mit Wuppertal zu tun hat.

Boros: Wahnsinnig viel. Das Erlangen von Perfektion heißt, fertig zu sein. Diese Stadt ist lange nicht fertig, sie ist mehr denn je in den Anfängen. Alles schreit nach Verbesserung, das setzt kreatives Potential frei. Jede Stadt lebt von der Wirtschaft, von den Arbeitskräften, von einem florierenden System. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Wuppertaler Wirtschaft an ihre Urmomente entsinnt, nämlich zu erfinden, auszudenken, Alternativen zu schaffen. Nicht nur das zu produzieren, was gebraucht wird, denn da wird man nur gedrückt - für den Preis hätte es immer auch ein Anderer machen können. Das Kreative, Tüftlerische, Spielerische, was man in einem Mikrokosmos wie Wuppertal gut entwickeln kann, fehlt im Moment.

Boros: Es wird nach Erfolg geschielt. Ein Peter Kowald hat nicht Musik gemacht, die massentauglich war. Es war ihm völlig egal, er hat gemacht, was er für richtig hielt. Dadurch wurde er ein weltbedeutender Jazzer. Wenn die Wirtschaft im Tal sich nur noch auf das Befriedigen von Bedürfnissen beschränkt und Unternehmer nichts mehr unternehmen, werden wir scheitern.

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