Wuppertaler Von der Heydt-Museum Ein Kunstwerk aus 350 Fotos

Hiroyuki Masuyamas „Caspar David Friedrich – Felsenschlucht 1821“ ist im Von der Heydt-Museum zu sehen.

 „Caspar David Friedrich – Felsenschlucht 1821“ von Hiroyuki Masuyama.

„Caspar David Friedrich – Felsenschlucht 1821“ von Hiroyuki Masuyama.

Foto: von der heydt museum

Kaum zu glauben, aber Hiroyuki Masuyamas Werk „Caspar David Friedrich – Felsenschlucht 1821“ besteht aus Teilen von 350 Fotos. Der japanische Künstler bezieht sich mit fotografischen Mitteln auf ein Gemälde des deutschen Frühromantikers. Über dem Ausschnitt einer Gebirgslandschaft ist kein Himmel sichtbar. Eine tiefdunkle Felsspalte durchzieht die helle Gesteinswand. Jenseits der Schlucht öffnet sich eine Höhle, in deren Eingang ein blauschwarzer Monolith aufrecht wie eine Skulptur in ihrer Mauernische steht. Die Bildkomposition ist konzentrisch auf diesen Stein ausgerichtet, dessen Anziehungskraft ihn zu einem Gegenüber im doppelten Sinne macht. Der Betrachter begegnet dem „augenlosen Steinblick“ des Monolithen, wie Paul Celan ihn in seinem Gedicht „Le Menhir“ suggestiv schildert.

In einer ganzen Reihe von Werken paraphrasiert der 1968 geborene Konzeptkünstler Hiroyuki Masuyama Werke Caspar David Friedrichs. Für das 2007 erworbene Werk im Von der Heydt-Museum nahm er sich Friedrichs Gemälde „Felsenschlucht 1821“ (Pommerisches Landesmuseum, Greifswald) zum Vorbild, dessen Motive dieser am Rande der Schwäbischen Alp fand. Aus hunderten von Landschaftsaufnahmen montierte der Japaner detailgetreu die Ansicht des gemalten Vorbildes. Die Maße des LED-Leuchtkastens entsprechen exakt dem romantischen Original. In unserer derzeitigen Sammlungspräsentation „1919-2019 – hundert Jahre Moderne im Von der Heydt-Museum“ hängt das Werk entsprechend neben einem Werk von Caspar David Friedrich.

Das mimetische Verfahren liefert keine Kopie oder Reproduktion, sondern eine zeitgenössische Neuinszenierung des Gemäldes. „Friedrichs Augen sahen anders als unsere, die sich an die Fotografie gewöhnt haben“, gibt Masuyama zu bedenken, der selbst über die Malerei zur Fotografie kam. Durch die melancholische Ergriffenheit zweier Wanderer links im Bild vertiefte Friedrich die Landschaftserfahrung. Diese fehlen hier jedoch.

Masuyama lässt uns mit der Natur allein. Während Friedrich nach Vergegenständlichung des Unfassbaren trachtete, buchstabiert Masuyama die romantische Natursymbolik neu. Wärme und Innigkeit des Originals schwinden dabei. Ein letztes herbstgoldenes Leuchten, das im Gemälde die Stimmung verklärt, weicht dem gleichmäßig kühlen Licht des Leuchtkastens. Bei Masuyama dominiert das Unorganische, verdichtet in der schwarzen Steinsetzung. Die Vegetation ist karg, wo sie bei Friedrich zart war. In seine Neuinterpretation mag japanische Symboltradition mit eingeflossen sein. Das subtile Versprechen der Erlösung, wie es Friedrich seiner herbstlichen Gebirgsszene einschrieb, ist erloschen.

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