Blanko-Ausweise in der Wupper

Einbrecher erbeuteten beim Ausländeramt 5000 Blanko-Dokumente mit einem Schwarzmarktwert von 2,5 Millionen Euro und warfen sie dann in die Wupper.

Wuppertal. Sie kamen am Wochenende. Irgendwann, nachdem das Ausländeramt ander Straße Am Clef in Barmen am Freitag Nachmittag geschlossen wordenwar. Vielleicht hatten sie sich auch einschließen lassen, in demunübersichtlichen Haus, das viele Gänge, Winkel und Treppen hat.Einbruchspuren an den Außentüren konnte die Polizei nicht finden.

DieTat fiel auf, als ein Beamter der Behörde am vergangenen Sonntag gegen16.45 Uhr ins Amt kam, um sich in aller Ruhe auf einen Termin mit demPetitionsausschuss des Landtags vorzubereiten. Eine Abschiebungssache,wie so oft. Als ihm auf dem Weg zum Dienstzimmer auffiel, dass einFenster zum Hinterhof geöffnet war, dachte er sich noch nichts undschloss es. Mittlerweile geht die Polizei davon aus, dass das derFluchtweg der bislang unbekannten Täter war.

Doch alsder Beamte Unterlagen aus dem Aktenraum holen wollte, traf ihn derSchlag: Aufgebrochene Schranktüren, weit geöffnete Schubladen, allesdurchwühlt in den nebeneinander liegenden Büros in der ersten Etage.Und auch die Tür des großen Tresors, in dem Sicherheitskassetten mitAufenthaltsgenehmigungen, Dienstsiegel und Bargeld aufbewahrt werden,stand sperrangelweit auf. Den Schlüssel zum Panzerschrank hatten dieTäter in einem Blumentopf gefunden, der in einem aufgehebelten Schrankstand.

Der Amtmann schlug sofort Alarm, rief diePolizei. Denn schnell war klar: Die Täter hatten 19Sicherheitskassetten mitgehen lassen, vermutlich in einem am Tatortgefundenen Pappkarton aus der Behörde geschleppt. Damit waren unteranderem mehr als 5000 Aufenthaltsgenehmigungen,Niederlassungserlaubnisse und Ausweisersatzpapiere weg. Hoch sensiblesMaterial. Nach WZ-Information waren die Amtsmitarbeiter erst vorwenigen Tagen mit stapelweise frischen Dokumenten aus derBundesdruckerei ausgestattet worden.

Die waren allesamtmit Sicherheitsmerkmalen wie Hologrammen versehen, und nebst den 19Dienststempeln einer in jeder Cassette quasi Freifahrtscheine für dieEinreise nach Deutschland. Und nicht nur das: Anerkannt werden dieBescheinigungen in allen EU-Staaten, die nach dem Schengener Abkommenauf aufwändige Grenzkontrollen verzichten.

"Mit all den Siegeln und den Papieren kann eine so großeVariation an Aufenthaltsgenehmigungen hergestellt werden, dass einganzer Reisebus voller Menschen illegal quer durch Europa reisenkönnte, ohne dass sie bei einer oberflächlichen Kontrolle auffallenwürden", so ein Mitarbeiter des Ausländeramtes. Nur bei einemDatenabgleich per Computer käme die Fälschung ans Licht. Auf demSchwarzmarkt sind derartige Blanko-Dokumente entsprechend heiß begehrt.Der Wert allein für die ergaunerten Papiere wird auf mindestens 2,5Millionen Euro geschätzt. Wert der echten Siegel: bislang unbeziffert.

Dochdie Einbrecher wussten offenbar nicht um die Brisanz ihrer Beute. Dennnachdem sie knapp 10.200 Euro Bargeld aus den Kassetten eingesteckthatten, entsorgten sie die Metallkisten vermutlich samt allen Papierenund Dienstsiegeln in der Wupper. Polizeitaucher konnten das Diebesgutnach dem Hinweis eines Schwebebahn-Fahrers schließlich zwischenFarbmühle und Völklinger Straße sicherstellen. Allerdings nichtkomplett: 16 Kassetten mit etwa 3500 Dokumenten und drei Stempeln sindwieder beim Amt. Der Rest gilt noch immer als gestohlen.

Fürdie Ausländerbehörde ist das mehr als unangenehm. Denn jedes einzelneAusweispapier ist mit einer Registriernummer versehen. Alles muss nunakribisch mit entsprechenden Listen verglichen werden. Welches Dokumentist noch immer verschollen? Eine Frage, die das Innenministerium seitdem Wochenende brennend interessiert. Derzeit klärt das Ausländeramtmit der übergeordneten Behörde, wie verfahren werden soll, wennweiterhin Dokumente verschwunden bleiben. Ihre Registriernummern kommenin jedem Fall auf eine Fahndungsliste. Der Tresor mit dem brisantenBehördenmaterial steht mittlerweile woanders in einem besondersgesicherten Bereich.

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