Betrug und Untreue: Ex-Chef der Lebenshilfe bestreitet die Vorwürfe

Erneut sitzt Erwin Borkenhagen(58) auf der Anklagebank. Und wieder fühlt er sich von den Ermittlern ungerecht behandelt.

Wuppertal. Erwin Borkenhagen reibt Daumen an Daumen. Immer und immer wieder. "Der Mann ist fertig", sagt sein langjähriger Verteidiger Lothar Kuth. In der Tat ist Borkenhagens Bilanz verheerend. Knapp 20 Jahre lang war er der omnipräsente Chef des Behindertenvereins Lebenshilfe. Vorbei. Im Jahr 2001 ging bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige ein - anonym. Beschuldigter: Borkenhagen. Die Vorwürfe: Untreue auf Kosten des Behindertenvereins. Es folgten Ermittlungen und ein erster Strafprozess. Der ist mittlerweile rechtskräftig abgeschlossen. Sechs Monate auf Bewährung lautet das Urteil. Doch seinen Job als Lebenshilfe-Geschäftsführer ist Borkenhagen los. Und jetzt sitzt er schon wieder auf der Anklagebank.

Wieder geht es um Untreue und Betrugsversuche. Wieder ist auch die Lebenshilfe Opfer ihres damaligen Chefs, so sieht es die Staatsanwaltschaft. Laut Anklage hat Borkenhagen an sich selbst über einen Zeitraum von vier Jahren 40.000 D-Mark gezahlt - zusätzlich zu seinem Grundgehalt. Laut Anklage geschah das ohne Einwilligung des Vereinsvorstandes. Laut Borkenhagen waren die Zahlungen eine Art Entschädigung für seine geleistete Mehrarbeit für das Lebenshilfe-Hotel auf Norderney. Dazu muss man wissen, dass Borkenhagen nach eigener Aussage der Einzige in der Lebenshilfe war, der Kontovollmacht hatte. Kontrollierte sich der Chef womöglich selbst?

Borkenhagen - er war übrigens gar nicht Mitglied des Vereins Lebenshilfe - sagt dazu vor Gericht Sätze wie: "Ich war mehr oder weniger allein zeichnungsberechtigt", und: "Die Dinge waren übergreifend flüssig". Es klingt wie ein Stück aus dem Tollhaus. Es steht noch mehr in der aktuellen Anklage. Beispielsweise die Sache mit der Behindertenförderung durch den Landschaftsverband Rheinland (LVR). Der soll von Borkenhagen - diesmal als Privatier - Anträge auf Bezuschussung eines Arbeitsplatzes für Schwerbehinderte auf seinem damaligen Gestüt in Wülfrath erhalten haben. Der LVR zahlte insgesamt 80.000 D-Mark.

Auf Borkenhagens Hof standen bald ein Unimog und ein Heuwender. Außerdem gab es ein neues Geschirr für die Kaltblüter-Kutsche. Der Haken an der Sache: Laut Anklage waren die Behinderten, die so in Lohn und Brot gebracht werden sollten, zumeist mit anderen Dingen beschäftigt, jedenfalls nicht mit dem Wenden von Heu, oder dem Fahren einer Kutsche. Borkenhagen streitet das ab. Das Wetter sei nicht gut gewesen oder der Mitarbeiter habe zur Erntezeit seinen Jahresurlaub genommen, um mit seiner kranken Tochter in die türkische Heimat zu reisen. Den mit LVR-Geld gekauften Unimog verkaufte Borkenhagen später, ohne dass der LVR davon wusste.

Es ist wie im ersten Prozess. Der Ex-Chef spricht zwar von Fehlern, fühlt sich aber ungerecht behandelt. Er habe immer versucht, etwas für die Behinderten zu tun, sagt er vor Gericht. Und: "Ich wäre froh, wenn ich draußen einen Herrn Borkenhagen treffen würde, der mir einen Job gibt." Der Prozess wird fortgesetzt.

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