„Gründung des Jahres“ Bergischer Zukunftspreis: Start-up Coachingspace bietet Beratung mit digitalem Methodenkoffer

Das Start-up Coachingspace aus Remscheid hat die Corona-Pandemie genutzt, um eine Lücke zu füllen. Und dafür den Bergischen Zukunftspreis bekommen.

 Benjamin Lambeck, Mischa Hesse und Sören Straßmann (v.l.) von „Coachingspace“ aus Remscheid, hier mit Kreishandwerksmeister Arnd Krüger (r.), wurden als „Gründung des Jahres 2022“ ausgezeichnet.

Benjamin Lambeck, Mischa Hesse und Sören Straßmann (v.l.) von „Coachingspace“ aus Remscheid, hier mit Kreishandwerksmeister Arnd Krüger (r.), wurden als „Gründung des Jahres 2022“ ausgezeichnet.

Foto: Christian Beier

„Früher habe ich immer gedacht, eine Beratung muss von Angesicht zu Angesicht stattfinden“, sagt Benjamin Lambeck mit dem Blick auf eine Zeit vor Corona. Lambeck ist systemischer Berater und Coach. Die Pandemie und die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen haben ihn vor große Herausforderungen gestellt. Denn in Deutschland war bis dato die Telefonseelsorge beinahe das höchste der Gefühle in Sachen medienvermittelter Beratung. Andere Länder waren da schon weiter. Jetzt wird der ein oder andere das Problem mit Blick auf Skype, Teams und Co. nicht verstehen, ist damit doch zumindest der Kontakt per Videokonferenz möglich. „Es geht nicht nur um den Kontakt, sondern auch um Methoden, die bei der Beratung angewendet werden. Die fehlten in digitaler Form“, erklärte der Remscheider. Gemeinsam mit seinen Mitgründern Philipp Soßong, Sören Straßmann, Mischa Hesse und Lukas Mundelsee hat er das Start-up Coachingspace gegründet und das geändert. Und dafür am Mittwoch sogar den Bergischen Zukunftspreis bekommen.

Das Systembrett ist eine dieser Methoden, die häufig in der Beratung genutzt werden. Auf dem Brett können komplexe Systeme oder Prozesse dargestellt und die unterschiedlichsten Konstellationen ausprobiert werden. Das eignet sich sowohl für die Beratung innerhalb von Familien als auch in Unternehmen. Die Methode ist für viele Berater elementar. Um auch während Corona weiter arbeiten zu können, wollte Benjamin Lambeck sie digitalisieren. „Ich hatte das Glück, dass ich einen genialen Programmierer kenne, der zudem ein Gefühl für Ästhetik und intuitive Bedingung hat“, sagt er. Gemeint ist sein Freund aus Kindertagen, Sören Straßmann. Er ist Wirtschaftsinformatiker mit viel Erfahrung in der Programmierung. Gemeinsam haben die beiden Gründer das Systembrett in die digitale Welt gehoben. Es war die erste von fünf Methoden, die Coachingspace auf seiner Plattform anbietet.

Entwickelt hat das Start-up das Brett auch mit dem Erfinder der analogen Variante, Kurt Ludewig. Gemeinsam mit ihm hat Lambeck das Brett zwei Stunden lang getestet. Und der über 80-jährige Erfinder war direkt angetan. Das Brett hat zwangsläufig auch Funktionen bekommen, die es in der analogen Welt nicht hat. So kann durch einen Kamerawechsel die Perspektive getauscht werden. Der Blick aus der Sicht des Anderen wird damit auch visuell ermöglicht. „So kann zum Beispiel ein Vater besser erkennen, wie groß und vielleicht bedrohlich er in den Augen seines Kindes aussieht“, erklärt Lambeck. Zudem können Zwischenstände gespeichert und später noch einmal angesehen werden. Familien können auch ohne den Berater weiter an dem Brett arbeiten. Auch das von Friedemann Schulz von Thun entwickelte Persönlichkeitsmodell „Das Innere Team“ haben die Gründer bereits mit Zustimmung des Erfinders digitalisiert.

Coachingspace bietet einen niederschwelligen Einstieg, ist kein System und keine App. Die browserbasierte Plattform kann auf allen Endgeräten genutzt werden. „Die Skepsis bei den Beratern, zukünftig auch online zu arbeiten, war anfangs recht hoch. Doch durch die Methoden, die sie auch bisher aus ihrer analogen Praxis kannten, konnten wir schon sehr viele von ihnen überzeugen“, sagt Lambeck. Auf beiden Seiten bietet das System mehr Flexibilität in der Arbeit. „Es ist die ideale Mischung aus der digitalen und analogen Beratung“, sagt er. Coaching wird dadurch auch für Menschen möglich, die vorher aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zu ihrem Berater kommen konnten, weil sie beispielsweise zu weit weg wohnen. Coachingspace konnte so bereits die Stiftung Phönikks als Kunden gewinnen, die unter anderem mit krebskranken Kindern arbeitet, die das Krankenhaus nicht verlassen dürfen. „Menschen mit schambehafteten Problemen oder welche die unterdrückt werden, haben über den digitalen Weg eine niedrigere Hemmschwelle. Das System bietet auch ihnen eine Möglichkeit, sich beraten zu lassen“, so Lambeck.

Austausch beim Bergischen Zukunftspreis
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Austausch beim Bergischen Zukunftspreis

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Foto: Christian Beier

Weitere Kunden sind bisher die Bundeswehr, die damit ihre Führungskräfte schult, Unternehmensberatungen und die BAG, die landwirtschaftliche Familienberatung. Die Deutsche Bahn hat angefragt. Die Uni Hamburg ist mit im Boot und untersucht die Wirksamkeit des Online-Coachings. Der virtuelle Raum, der ein großes Fenster hat, bei dem sich Coach und Patient aussuchen können, ob sie beispielsweise auf das Meer oder New York blicken, wird für monatlich 19 Euro durch Coachingspace vermietet. Wer auch alle digitalen Methoden nutzen möchte, zahlt 49 Euro.

Weitere Methoden wollen die fünf Gründer noch digitalisieren und außerdem weiter am Service arbeiten. In Planung sind  eine automatische Terminsynchronisation und -verwaltung und ein integriertes System, um Abrechnungen zu erstellen. „Die Idee ist, eine ganze Praxis in einem System zu erschaffen“, so Lambeck. Dazu suchen die Remscheider momentan Investoren für die kommenden zwei Jahre. Da das System skalierbar ist, wollen sie anschließend kostendeckend arbeiten. „Vielleicht konnten wir durch den Preis einen Investor auf uns aufmerksam machen“, sagt Lambeck.

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