Schutzmaßnahmen im Katastrophenfall Bevölkerungsschutzexperte Frank Fiedrich rechnet mit einer Zunahme von Extremwetter im Bergischen Land

Wuppertal · Im Bergischen Land muss man zukünftig sogar mit mehr Extremwetter rechnen. Frank Fiedrich, der Leiter des Lehrstuhls für Bevölkerungsschutz an der Uni, spricht über entsprechende Schutzmaßnahmen im Katastrophenfall.

 Professor Frank Fiedrich glaubt, dass sich die Behördenkommunikation verbessern muss.

Professor Frank Fiedrich glaubt, dass sich die Behördenkommunikation verbessern muss.

Foto: Bo Tackenberg

Verheerende Waldbrände oder Überschwemmungen wie jüngst in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sorgen die Menschen allerorts mehr und mehr. Der Klimawandel ist da, wissen Fachleute schon seit Jahren, doch die Schutzmaßnahmen könnten optimiert werden, weiß Frank Fiedrich, Lehrstuhlinhaber für Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit an der Bergischen Uni. „Langsam lernen wir, dass das auch bei uns passieren kann“, sagt Fiedrich, „und dabei ist die Frage des Selbstschutzes der Bevölkerung aktuell ein großes Thema sowohl in der Praxis als auch in der Forschung.“

Dabei gehe es zunächst noch um Zukunftsszenarien, doch werden mittelfristig Waldbrände, Dürren und Starkregenereignisse häufiger auftreten, betont der Wissenschaftler. Bezogen auf Waldbrände, von denen Europa in den vergangenen Jahren auch vielerorts betroffen war, gebe es sowohl nationale als auch internationale Mechanismen, die greifen, wenn eine Region oder ein Land mit einer solchen Gefahrensituation überfordert sei. Waldbrandgefahren seien seit Jahren im Fokus der Europäischen Union, erklärt Fiedrich und sagt: „Die EU als Ganzes ist sich auch bewusst, dass wir in gewissen Bereichen unterversorgt sind und unterstützt daher die Beschaffung zusätzlicher Ressourcen zur Waldbrandbekämpfung durch das neue Programm rescEU.“

Der Traum vieler Menschen, ein Haus im Grünen zu besitzen, mit bester Waldanbindung für die täglichen Joggingrunden oder den Gassigang, könnte in Zeiten des Klimawandels auch ein gefährlicher Traum werden. „Dort, wo Natur und Wälder mit Menschen zusammenkommen, muss man besonders vorsichtig sein“, erklärt der Wissenschaftler. „Mittelfristig haben wir in Bezug auf die Klimagefahren auch hier mit ausgeprägteren Dürreperioden zu rechnen.“

In der Coronakrise konnte man sehr gut feststellen, wie die Bevölkerung von offiziellen Stellen informiert wurde und sich auch selbst schlau machte. Da sieht der Wissenschaftler von staatlicher Seite aber noch erhebliches Verbesserungspotenzial zum Beispiel in Form von Info-Veranstaltungen, die in Schulen stattfinden könnten. Aufholbedarf gebe es zusätzlich auch bezüglich einer stärkeren Präsenz in den sozialen Medien.

Die Hochwasseranlässe in Deutschland hätten die Menschen bereits sehr sensibilisiert und dieses Bewusstsein könne man verstärken. Andere Angebote, wie der bundesweite Warntag oder der internationale Tag der Katastrophenvorbeugung werden, nicht zuletzt weil große Schadensereignisse bei uns bisher eher selten sind, individuell weniger angenommen. „Wenn beispielsweise in Indien der Strom ausfällt, ist es etwas anderes, als wenn solch ein Ereignis in Deutschland eintritt. Die dortige Bevölkerung ist eher darauf eingestellt, dass so etwas passieren könnte, und kann daher besser mit solchen Ausfällen umgehen.“

Von dem größten Waldbrand der deutschen Geschichte gelernt

Nach Angaben der Waldbrandstatistik des Bundesamtes für Landwirtschaft und Ernährung verbrannte 2020 eine Gesamtfläche von 62 Hektar. 1919 waren es noch 27 Hektar. „Hier in Wuppertal wären im Katastrophenfall in erster Linie die Stadt und die Feuerwehr Wuppertal zuständig“, erklärt Fiedrich. „Es würden Krisenstäbe zur Bewältigung gebildet und gegebenenfalls sachbezogen Fachleute hinzugezogen.“ Dies könnten dann beispielsweise das Technische Hilfswerk oder das Amt für Forstwirtschaft sein, erläutert er. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann für die Einsatzbewältigung gegebenenfalls zusätzlich auch die Bundeswehr im Rahmen der Amtshilfe einbezogen werden. Die heutigen Einsatzleitungen arbeiteten vor allem auf Erkenntnissen des größten deutschen Waldbrandes in der Lüneburger Heide 1975, weiß der Forscher. „Wir hatten damals dort den größten Waldbrand der deutschen Geschichte. Da sind mehr als 75 Quadratkilometer innerhalb von zwei Wochen abgebrannt. Es waren über 32 000 Kräfte im Einsatz und es wurden viele Mängel in der Zusammenarbeit der Einsatzorganisationen festgestellt. Daraus hat man gelernt. Man ist besser vorbereitet und es gibt entsprechende Strukturen.“

Viele Brände entstehen durch Brandstiftung. Die weggeworfene Zigarette, das heimliche Grillen oder böswilliges Zündeln. Der Mensch als Unsicherheitsfaktor? „Der Mensch als Ursache spielt schon immer eine Rolle. Man muss dabei unterscheiden, ob er sich böswillig oder nur fahrlässig verhalten hat“, sagt Fiedrich. Fahrlässigkeit könne man mit Aufklärungskampagnen oder auch gut aufgestellten Schildern begegnen. Damit generiere man eine Sensibilisierung innerhalb der Bevölkerung, wobei der Wissenschaftler betont, dass die Vermeidung von Brandstiftung in Wald- und Naturschutzgebieten leider oft nicht möglich sei.

Dass Menschen nicht nur als Risikofaktoren in Analysen angesehen werden, sondern auch als potenzielle Stütze bei Krisen und Katastrophen fungieren können, untersucht Fiedrich unter anderem in einem neuen, auf drei Jahre angelegten Projekt. Unter dem Kürzel Sokapi-R (Entwicklung eines Sozialkapital-Radars für den sozialraumorientieren Bevölkerungsschutz) geht es um die Untersuchung von Gemeinschaften, die durch einen hohen Zusammenhalt, starkes Vertrauen und gemeinsam geteilte Werte in Krisen und Katastrophen ein breites, auf Hilfe und Unterstützung ausgerichtetes Verhalten zeigen. „Es geht darum, dass man versucht, die Nachbarschaften und die Unterstützungskapazitäten, die in jeder Stadt innewohnen, besser zu verstehen.“ Das Projekt will Nachbarschaftsnetzwerke und Initiativen eruieren und deren Einfluss auf die Krisenresilienz untersuchen. Auch Benachteiligungsaspekte vulnerabler, besonders anfälliger Gruppen stehen im Fokus. Zusammen kann daraus ein Lagebild entstehen, welches man bei der Arbeit im Bevölkerungsschutz berücksichtigen muss. „Dazu könnte man für Wuppertal eine Art Dashboard, also eine Visualisierung von Daten entwickeln, mit dessen Hilfe man relevante Daten überschneiden und Verbesserungspotenziale erkennen kann. Denn für eine gute Krisenbewältigung spielt die Zusammenarbeit von Bevölkerung, Einsatz- und Freiwilligenorganisationen sowie Nachbarschaftsnetzwerken und dergleichen eine große Rolle.“

(red)
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