Bergische Universität „Forschung darf nicht alles“

Prof. Michael Scheffel ist Vorsitzender der Ethikkommission an der Bergischen Universität.

 Freiheit hat dort ihre Grenzen, wo sie andere Grundrechte verletzt, sagt Prof. Michael Scheffel.

Freiheit hat dort ihre Grenzen, wo sie andere Grundrechte verletzt, sagt Prof. Michael Scheffel.

Foto: ja/Foto UniService Transfer

„Gegenstand der Ethik ist die Moral“, definiert das Gabler Wirtschaftslexikon. In ihrem Zentrum steht das spezifisch moralische Handeln. „Die Freiheit von Forschung und Lehre wird im Grundgesetz, Artikel 5, Absatz 3 garantiert“, erklärt Prof. Michael Scheffel, als Prorektor für Forschung qua Amt Vorsitzender der Ethikkommission der Bergischen Universität. „Doch Freiheit hat dort ihre Grenzen, wo sie andere Grundrechte verletzt.“ Dies gelte für Forschung und Lehre gleichermaßen, daher dürfe auch Forschung nicht alles. Sofern also Grundrechte jedweder Art verletzt werden könnten, müsse mit den Wissenschaftlern überlegt und ausgehandelt werden, was Forschung darf und nicht darf. „Hier liegt eine persönliche Verantwortung der Forschenden, und damit verbinden sich nicht nur juristische, sondern auch ethische Fragen. Und die im Einzelnen zu klären, ist nicht immer einfach.“

Aus diesem Grund gibt es an der Bergischen Universität eine Ethikkommission, die aussagefähige Stellungnahmen abgibt. Besonders beim Zustandekommen von Drittmittelprojekten externer Geldgeber können diese entscheidend sein. „Die Ethikkommission unserer Universität prüft und bewertet auf Antrag Forschungsvorhaben nach ethischen Kriterien hinsichtlich des Schutzes der Menschenwürde“, beschreibt Scheffel die in den Richtlinien konkret gefasste Aufgabe.

Die Hochschulkommission hat sechs Mitglieder plus Stellvertreter, die regelmäßig rechtliche, ethische und soziale Aspekte von Projektanträgen bewerten. „Wir haben in dieser Kommission einen externen Mediziner, einen Theologen, eine Psychologin, einen Ingenieur und einen Juristen“, sagt Scheffel. Die Arbeit der Mitglieder beginnt immer mit einem entsprechenden Antrag, denn „die Ethikkommission ist keine Kommission, die von sich aus Projekte sichtet, sondern bei der man ein Votum oder eine Prüfung beantragt.“ Das passiert stets dann, wenn sich wissenschaftliche Projektplaner nicht sicher sind, ob ihre Untersuchung ethisch vertretbar ist. Alle Experimente, die im weiteren Sinne mit Menschen durchgeführt werden sollen, gehören dazu.

Zwar habe die Kommission grundsätzlich nur eine beratende und beurteilende Funktion, erklärt der Vorsitzende, und könne ein Projekt nicht verbieten, jedoch verlangen Drittmittelgeber vielfach die ethische Überprüfung eines Forschungsvorhabens, welches durch die Kommission geleistet und im Idealfall mit positivem Ergebnis attestiert wird.

Anders sieht es bei Master- oder Bachelorarbeiten aus, die auch geprüft werden. Scheffel nennt ein konkretes Beispiel: „Denkbar ist etwa ein soziologisches Projekt, in dessen Rahmen jemand herausfinden will, ob Vermieter Vorurteile gegen Ausländer haben. Dazu möchte der Antragsteller E-Mails in gebrochenem Deutsch an ausgewählte Personen schreiben, um sich für eine Wohnung zu bewerben, aber natürlich nicht darüber aufklären, dass es sich um einen Test handelt“, berichtet er. „Das mag aufschlussreich sein, kann aber nicht als ethisch unbedenklich beurteilt werden, weil man ja die Versuchspersonen täuscht.“ Aber selbst bei ethischen Bedenken der Kommission, schränkt der Wissenschaftler ein, liegt es – jedenfalls aus formaler Sicht – letztlich im Ermessen des Studierenden, die Arbeit dennoch zu schreiben. Oft sei es ein dialogischer Prozess, in dessen Verlauf man die Antragsteller darauf hinweise, dass das Projekt aus der Sicht der Kommission möglich sei, wenn man zum Beispiel die Probanden anders aufklären oder Daten anders behandeln würde.

Ein bis zwei Anträge
pro Woche gehen ein

„Wir haben mittlerweile fast jede Woche ein bis zwei Anträge“, so Scheffel, die aus den unterschiedlichsten Disziplinen stammen. „Tendenziell kommen die meisten Projekte aus den Bereichen Sozialwissenschaften, Psychologie, Sport und Bildungswissenschaften, aber auch der Sicherheitstechnik“, zählt er auf. „Für viele dieser Dinge nutzt man Testpersonen. Das läuft unter ,Experimente mit Menschen‘ und braucht, sobald es zum Beispiel von der DFG gefördert wird, in der Regel ein Ethikvotum. Dabei schließen ethische Fragestellungen Fragen des Datenschutzes ein.“

Der noch relativ neue Bereich der Verwaltungsethik setzt sich mit Fragen der Korruption, Verwaltungsreform und Stellenbesetzung auseinander und findet in vielen Institutionen Eingang. „Verwaltungsethik ist ein Teilbereich der angewandten Ethik und als eigenständiges Konzept hierzulande vergleichsweise neu“, erklärt Scheffel. „In Deutschland setzt man im Bereich der Verwaltung traditionell mehr auf rechtliche Regelungen, also Legalität und weniger Legitimität. Man vertraut in diesem Sinne zuallererst auf entsprechende Gesetze. Unabhängig davon hat die Bergische Universität zum Beispiel einen Compliance Beauftragten, der sicherstellen soll, dass Gesetze, interne und externe Richtlinien sowie selbst gesetzte ethische Standards und Anforderungen an der Universität eingehalten werden. Außerdem arbeiten wir zurzeit eine Ordnung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis aus, und die deckt für den Bereich der Durchführung von Forschung viele solcher letztlich ethischen Fragen ab.“

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