Bello, Pippo und das Ei pflegen eine lebenslange Freundschaft

Die drei Herren aus Elberfeld wurden am 18. August 1942 in der Distelbeck eingeschult. Seither haben sie sich nicht mehr aus den Augen verloren — 75 Jahre lang.

Bello, Pippo und das Ei pflegen eine lebenslange Freundschaft
Foto: Privatarchiv Penner

Wuppertal. Der eine ruhig, der andere lebhaft und der Dritte ist das Bindeglied, der Vermittler, manchmal auch der Antreiber. So hält das Trio nun schon seit 75 Jahren zusammen wie Pech und Schwefel. Es ist eine beneidenswerte Freundschaft, eine, die mit jedem Jahr enger und tiefer zu werden scheint. Bello, Pippo und das Ei sind eine verschworene Gemeinschaft. Und sie sind namhafte Wuppertaler. Der ruhige Buchhändler, der vermittelnde Politiker und der lebhafte Apotheker gehörten in ihrer aktiven Zeit zu den bekannten Menschen in der Stadt.

Bello, Pippo und das Ei pflegen eine lebenslange Freundschaft
Foto: S. Fries

Karl Wolfgang Nettesheim betrieb an der Herzogstraße ein erfolgreiches Geschäft, Eduard Schiemenz war nicht nur ein gefragter Apotheker, sein Ladenlokal am Kerstenplatz war auch so etwas wie ein Plaudertreffpunkt. Und Willfried Penner gehörte zu den einflussreichsten Politikern Deutschlands, spielte eine tragende Rolle im Innenausschuss des Bundestages und später als Wehrbeauftragter der Regierung Schröder. Sie sind Bello, Pippo und das Ei. „Ich habe mich in diesem Kreis immer wohlgefühlt. Es hat mir gutgetan, mich bei den Freunden von der Politik zu erholen“, sagt Penner.

Der Sozialdemokrat gerät leicht ins Schwärmen, wenn er von den Kumpels erzählt. Und die beiden Freunde, die nun auch schon die 80 Lebensjahre überschritten haben, stehen ihm nicht nach. „Er hat uns die Spitznamen verpasst“, sagt Eduard Schiemenz über Penner. Als angehender Apotheker sei er damals ein wenig besser gekleidet gewesen, wie aus dem Ei gepellt. „Aus Eipell wurde später Das Ei“, erklärt Penner noch einmal.

Bei Bello Nettesheim war es das Bild von der Dogge, das Penner schon in der 1. Klasse mit seinem Freund verband. Da lag Bello nahe. „Deinen Namen hat meine Mutter Dir aber verpasst“, sagt Nettesheim. Seine Mutter habe in der Literatur nach etwas gesucht, das sie an Willfried Penner erinnere. „Sie ist in irgendeinem Buch auf Pippo gestoßen.“ Das war’s dann. Bello, Pippo und das Ei.

Wann immer sich die drei treffen, sprudelt Stadtgeschichte aus ihnen heraus. Da ist die Zeit in der Grundschule, als sie als Altmaterialsammler unterwegs waren. „Tierknochen haben wir aufgehoben, Huflattich gesucht“, erinnert Eduard Schiemenz sich. Die Zeiten nach dem Krieg waren hart, aber sie waren auch ein Abenteuer, besser jedenfalls als der Krieg. „Wir haben Häuser brennen sehen“, sagt Penner.

Zeiten wie diese schweißen zusammen. Das gilt ebenso für die Jahre am Wilhelm-Dörp-feld-Gymnasium. Bello Nettesheim tut sich offenbar noch heute schwer damit, einzuräumen, dass er mit Abstand der Beste in der Klasse war. „Dabei haben wir ihn nie Streber genannt oder so etwas“, sagt Schiemenz, während Penner ausdrücklich dazu nickt. „Nur Sport konnte er nicht.“ Also hätten ihn Schiemenz und ein Klassenkamerad an Armen und Beinen gepackt, um ihn über den Kasten zu heben, über den er aus eigener Kraft partout nicht springen konnte. „Ich war ja auch klein“, erklärt Nettesheim. Klein, aber oho — was die alten Sprachen anging, die am WDG so wichtig gewesen sind. „Unser Lehrer für Latein und Griechisch hieß Helmut Beckmann. Er ist heute 101 Jahre alt und lebt in Athen“, erzählt Penner. „Wir waren damals 36 Jungs in der Klasse, das weiß ich noch genau. Und Beckmann sagte am ersten Schultag in der Sexta: Wenn neun von euch im Abitur noch da sind, seid ihr eine gute Klasse. So war das damals.“

So ist es auch gekommen. Als Penner, Nettesheim und Schiemenz 1956 ihr Abitur machten, gehörten sie zu den erlesenen fünf Prozent ihres Jahrgangs. Heute liegt dieser Wert jenseits der 50 Prozent.

„Ich wäre gern ein guter Schüler gewesen, war ich aber nicht. Wenn ich mal wieder etwas nicht wusste, sagte Oberstudienrat Beckmann immer: amens, Demenz und die Klasse sagte Schiemenz. So ging das. Aber trotzdem haben wir an unseren Lehrern gehangen, irgendwie.“

Und zum Abitur hat es ja auch gelangt. Bello Nettesheim schrieb sich in München für Wirtschaftswissenschaften ein, Penner studierte unter anderem in Bonn und Frankfurt Jura, Schiemenz verschrieb sich in Bonn der Pharmazie, verließ Wuppertal aber nicht, wie auch seine Kumpel der Stadt immer die Treue hielten. Nettesheim erklärt das mit den familiären Banden, die ihn im Tal festgehalten hätten. „Außerdem musste ich 1959 das Geschäft übernehmen“, sagt er. Auch für Willfried Penner kam ein Abschied von seiner Heimatstadt nie infrage. „Meine Familie wohnt seit 250 Jahren hier“, sagt er. „Ich glaube, ich kenne die Bergischen.“ Dass es bei Schiemenz ebenfalls die Familie war, die ihn an Wuppertal band, erklärt sich durch seine Mutter, die in Immobiliengeschäften der Hilfe des Sohnes bedurfte. Außerdem waren ja auch die Freunde immer hier.

Sie werden bleiben. Das steht fest. Allenfalls sporadisch übernimmt Fernweh das Kommando in der Gefühlswelt des Trios. „Wissen Sie, bei den meisten Wuppertalern ist es doch so: Wenn sie im Zug sitzen und aus der Stadt fahren, sagen sie, wären sie lieber zu Hause geblieben.“

Wuppertal ist den Dreien eine Herzensangelegenheit. Deshalb schmerzt es Penner manchmal, wenn er von zumeist älteren Passanten auf die vermeintlich guten, alten Zeiten angesprochen wird. Ihm sagt das, dass heute Persönlichkeiten fehlen, die eine Stadt mitreißen können. „Es fehlen ein paar Sterne. Als der damalige Oberbürgermeister Johannes Rau den Kiesbergtunnel eröffnete, hat er gesagt, der Tunnel sei ein Zeichen dafür, dass die Stadt etwas schaffen kann.“ Solche Bekenntnisse vermissen Bello, Pippo und das Ei heute. Dennoch sind sie nicht pessimistisch, was ihre Heimatstadt angeht.

Aber wenn sie sich treffen, manchmal auch in Begleitung ihrer Ehefrauen, dann geht es oft um die Zeit an der Distelbeck, um die Jahre im Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium, um das aktive Berufsleben, das von Berufung getragen war, nicht vom bloßen Broterwerb. Es geht um die Tischtennisturniere in der Garage, deretwegen Penner auch schon einmal die Teilnahme an einem Queen-Besuch absagte, es geht um die Jahrestreffen mit den Schulkameraden, aus denen allesamt etwas geworden ist. Es geht um die Pflege einer Freundschaft, die nun schon 75 Jahre hält. Bello, Pippo und das Ei wird in diesem Leben nichts mehr auseinanderbringen.

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