Bastian-Sick-Schau: Und jetzt singt er auch noch

Der Zwiebelfisch-Autor gastiert mit seiner Schau in der Stadthalle – mit musikalischen Überraschungen im Gepäck.

Wuppertal. Herr Sick, Ihr Weg durch den Irrgarten der deutschen Sprache führt Sie am kommenden Sonntag in die Stadthalle auf den Johannisberg. In unserer Stadt haben Dialekte bis heute Hochkonjunktur, Sie als Sprachpfleger trauen sich damit quasi hinter die feindlichen Linien, das ist Ihnen schon klar?Bastian Sick: (lacht) Nun, Feinde gibt es für mich in dieser Sache nicht, ich kenne nur Freunde der deutschen Sprache. Bei meiner ersten Lesung in Dresden 2004 hatte ich überhaupt keine Ahnung, wie das Publikum wohl reagieren würde. Ich befürchtete, dass da lauter Besserwisser sitzen, die nur darauf warten, dass ich einen Fehler mache. Aber die Leute waren überaus liebevoll und dankbar. Das wird sicherlich auch in Wuppertal wieder so sein, obwohl mir hier bei meinem ersten Auftritt vor drei Jahren während der Veranstaltung die Tasche geklaut worden ist. Besonders aber ist an dieser Stadt, dass es in Barmen und Elberfeld gleich zwei Dialekte nebeneinander gibt. Auf den Südhöhen in Cronenberg und Ronsdorf wird sogar wieder anderes Platt gesprochen. Ganz gleich aber wo in der Stadt: Das Wetter ist "besser wie gestern", man will nur noch schnell "nach der Oma" fahren oder ist - getreu der Wuppertaler Verlaufsform - den ganzen Tag "am Arbeiten dran". Sehen Sie sich hin und wieder auf einem Kreuzzug?Sick: Manchmal werde ich missverstanden. Ich will die Dialekte keineswegs bekämpfen oder abstrafen, schließlich bereichern sie unsere Sprache und haben ihre Berechtigung. Aber man darf gerne darüber schmunzeln, wenn solche regionalen Besonderheiten aufs Tapet gebracht werden. Oder auch aufs Tablett, wie auch immer wieder zu hören ist. Ungeachtet dessen brauchen wir eine Standardsprache, die von Flensburg bis Rosenheim verständlich ist. Mir geht es darum, die Regeln dieser Verkehrssprache zu erklären. In Wuppertal kommt es schon mal zu bürgerkriegsähnlichen Tumulten, wenn es um die Frage geht, ob man zum Alten Markt in Barmen geht oder zum Alter Markt. Können Sie ein für allemal klarstellen, was richtig ist?Sick: Das lässt sich nicht mit richtig oder falsch beantworten, weil man die Grammatik nicht ohne weiteres auf Orts- und Straßennamen anwenden kann. Im Zweifelsfall gilt die regional übliche Form. Im Norden werden Straßennamen gebeugt (da spricht man z.B. von der Breiten Straße), im mitteldeutschen Raum ist die Flexion von Ortsnamen häufig versteift: In Köln spricht man von der Hohe Straße. Das lässt sich nur mit der Historie begründen. "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" gibt’s ja bereits in drei Folgen, und die Familie der Zwiebelfisch-Kolumnen bekommt regelmäßig Zuwachs. Können Sie eigentlich noch alle sprachlichen Phänomene erklären, über die Sie einmal geschrieben haben? Oder kann man Sie auch mal auf dem falschen Fuß erwischen?Sick: Ich bin natürlich nicht allwissend, aber in den wesentlichen grammatischen Fragen kenne ich mich relativ gut aus. Zumindest kenne ich den Unterschied zwischen Adjektiv und Adverb. Den kennen heute selbst viele Germanistikstudenten nicht mehr. Es ist schon auffällig, dass ich heute kaum mehr einen Text lese, der ohne Fehler ist - vor allem in punkto Kommasetzung. In den siebziger Jahren ist der Grammatikunterricht an den Schulen in Misskredit geraten, weil man dachte, man dürfe die jungen Menschen in ihrer sprachlichen Entwicklung nicht durch starre Regeln einengen. Was dabei herausgekommen ist, kann heute überall bestaunt werden. Haben Sie einen Lieblingszwiebelfisch?Sick: Oh, da gibt es viele. Einen mag ich besonders, das ist gar kein deutscher, sondern ein englischer. Der stand im Bordmagazin einer arabischen Fluggesellschaft. In einem Bericht über die Geschichte Berlins wurde das berühmte Kennedy-Zitat "Ich bin ein Berliner" ins Englische rückübersetzt mit den Worten: "I am a doughnut". Was genau erwartet die Besucher Ihrer Schau am kommenden Sonntag?Sick: Ein buntes Programm, bei dem es viel zu Lachen gibt. Ich schlüpfe in verschiedene Rollen, erzähle Anekdoten und setze mich mit dem Jugendsprech meiner Punk-Puppe Benni auseinander. Das ist "voll krass!". Und zum Schluss gibt’s ein Lied. Sie singen? Was denn?Sick: Ein Duett von Mireille Mathieu, meiner großen musikalischen Liebe, und Anneliese Rothenberger: "Le soleil - der Sonne, la lune - die Mond". Im Französischen ist die Sonne ja männlich und der Mond weiblich. Auch das ist so eine Kuriosität der Sprachen, und die passt in meine Schau. Ihre Bücher sind Bestseller. Inzwischen füllen Sie große Häuser mit Ihren Bühnenshows, lesen, singen, schauspielern. Hätten Sie sich das vor ein paar Jahren träumen lassen, als Sie als Schlussredakteur bei Spiegel Online die Texte Ihrer Kollegen korrigiert haben?Sick: Nicht unbedingt. Aber ich hatte schon als Kind den großen Wunsch, Schriftsteller, Moderator, Schauspieler oder Sänger zu werden. Ich wollte auf die Bühne, habe auch viele Jahre im Chor gesungen. Doch später habe ich lieber doch erst einmal studiert. Die Idee, Lehrer zu werden, habe ich allerdings recht bald verworfen, den Journalismus fand ich spannender. Ich hatte allerdings keine Vorstellung davon, was zu mir passt: Politik, Wirtschaft, Sport - das war nicht meine Welt. Und Kritiker wollte ich auch nicht werden, ich wollte schon etwas Eigenes schaffen - irgendwo. Jetzt habe ich mir etwas geschaffen, das es so noch nicht gab. Ich kann die Leute mit Shows über mein Lieblingsthema unterhalten. Aber mal Hand aufs Herz: Hat Sie das riesengroße Interesse der Deutschen an ihrer Sprache in Zeiten zunehmender Sprachverrohung nicht auch überrascht?Sick: Das Interesse war immer da, was ganz normal ist, schließlich ist der Umgang mit unserer Sprache etwas Alltägliches. Man sucht ständig die richtige Vokabel, einen passenden Begriff für irgendetwas. Schüler müssen die Sprache lernen, das ist durch die Rechtschreibreform nicht einfacher geworden. So gibt’s ständig Fragen an diese Sprache. Ihr Image hat allerdings vor allem durch die Veränderung des Fernsehens gelitten. Früher haben da nur Profis gearbeitet, heute darf sich in den nachmittäglichen Sendungen jeder Laie so gut entblöden und losplappern, wie es eben geht. Doch inzwischen setzt so etwas wie eine Gegenbewegung ein. Man denke nur an den Kampf gegen Anglizismen, der in jüngster Zeit zu beobachten ist. Erst Autor, nun Bühnenstar? Wohin wird Ihr Weg Sie noch führen?Sick: Im Herbst dieses Jahres mache ich auf Einladung des Goethe-Instituts eine große Südamerika-Tournee! Dort leben mehrere Millionen deutsche Muttersprachler. Von Kolumbien über Ecuador, Peru, Chile, Brasilien bis nach Argentinien. Das wird ein richtiges Abenteuer! Und danach geht’s wahrscheinlich ins Fernsehen mit einem eigenen TV-Format. Was ich da genau machen werde, verhandeln wir gerade. Gehen Sie denn überhaupt noch ins Büro?Sick: Ja, wenn ich Zeit dafür habe. Die Zwiebelfisch-Kolumnen laufen ja weiter, was mir sehr wichtig ist. Die Leser schicken mir Anregungen, Beispiele und Fundstücke. Der Zwiebelfisch ist mein Kontakt zur Basis, den ich unbedingt halten möchte. Haben Sie zum Abschluss einen Lektüretipp für die Basis?Sick: "Speak German" von Wolf Schneider. Das habe ich mir heute Morgen in Frankfurt am Main am Bahnhof gekauft und während der Zugfahrt nach Dresden in einem Rutsch gelesen.

Danke für das Gespräch.

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