Lesung Eine türkische Autorin gibt in Wuppertal einen interessanten Einblick in ihr Leben

Wuppertal · Emine Sevgi Özdamar ist zu Gast im Café Ada.

Emine Sevgi Özdamar im Café Ada.

Emine Sevgi Özdamar im Café Ada.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Die Mischung aus Erzählung und Lesung macht die Abende im Ada immer wieder besonders. So auch bei der 39. Ausgabe von „Literatur auf der Insel“. „Als ich mit dem Zug vor vielen Jahren einmal durch Wuppertal fuhr, habe ich aus dem offenen Fenster laut ,Else’ gerufen“, erinnert sich die Autorin, Pina-Bausch- und Else-Lasker-Schüler-Fan, Emine Sevgi Özdamar.

Hajo Jahn, Vorsitzender der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft wird es freuen, war er doch auch unter den Besuchern der ausverkauften Veranstaltung. Erzählt hat die Episode eine der bekanntesten deutsch-türkischen Autorinnen, die zwischen den Moderatoren Thorsten Krug und Uta Atzpodien Platz nahm. Bescheiden, fast unscheinbar und ein wenig spröde wirkt Emine Sevgi Özdamar zunächst, doch was sie mit ruhiger und ausgeglichener Stimme zu erzählen hat, gibt Einblicke in ein mit Literatur prall gefülltes Leben. „Ich will poetisch leben. Ich will das passive Leben meiner Intelligenz aufwecken, wachrütteln“, war ihr Versprechen an sich selbst bei ihrer Aufnahme an der Schauspielschule in Istanbul.

Der Putsch 1971 in der Türkei änderte auch ihr Leben. Nicht nur Künstler und Intellektuelle fürchteten um ihre Existenz. Özdamar, geboren 1946, die schon in den 1960er-Jahren als Gastarbeiterin in Deutschland war, flüchtet übers Meer nach Europa, den kulturellen Reichtum ihres Landes will sie dort bekannt machen. „In den Putschzeiten war ich wie in einem dunklen Brunnen.“ Die Sprache von Bertold Brecht hat es ihr besonders angetan. „Wie Brecht habe auch ich Erfahrungen mit Faschisten gemacht. In solchen Zeiten konnte man die Muttersprache im eigenen Land verlieren.“

Ihr neustes Buch heißt „Ein von Schatten begrenzter Raum“. Fast zehn Jahre hat sie – mit Pausen – daran gearbeitet. „Aber man schreibt auch, wenn man nicht schreibt“. Als „autofiktionalen Roman“ bezeichnet ihn Krug. Auf fast 800 Seiten schafft sie ein buntes Kaleidoskop mit Auszügen ihres Lebens. Der Leser folgt dem Lebensweg der Autorin von der Flucht aus der türkischen Militärdiktatur über die Arbeit an der Ostberliner Volksbühne, ihrer Zeit in Paris, bis zum Theater in Bochum nach Berlin.

Gefragt nach der Beschaffung des Buchmaterials greift sie auf ihre Theatererfahrungen zurück. „Man kann die Grenzen seiner Figur öffnen – es ist ein Balanceakt zwischen der Figur und dir.“ Der Roman ist ein Nachruf und eine Erinnerung an viele Freunde, Künstler und Bekannte, die ihr Leben begleiteten. „Wenn man von seinem eigenen Land einmal weggegangen ist, dann kommt man in keinem neuen Land mehr an. Dann werden nur manche besonderen Menschen dein Land“, erklärt sie im Buch.

Damit gemeint ist auch der Regisseur Benno Besson, an dessen Theater in Ostberlin sie ging. „Ich wollte mit einem Brechtschüler arbeiten“. Betont und sachlich liest sie Auszüge aus ihrem Werk, beschreibend und beobachtend in schönen Bildern. Es ist ein Buch voller Erinnerungen an viele ihrer Wegbegleiter; die Prägung durch das internationale Theater und den Film sind in der Prosa erkennbar.

Für Özdamar, die auch als Schauspielerin und Theaterregisseurin tätig ist, haben „Wörter einen Körper“. Sie wurde für ihre Arbeiten mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, erhielt zuletzt den Georg-Büchner-Preis.

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