Unital Wuppertal „Aus Kapitalismus wurde soziale Marktwirtschaft mit Wohlstand“

Unital: Kerstin Schneider sprach über Ungleichheit seit Engels.

 Kerstin Schneider sprach bei Unital.

Kerstin Schneider sprach bei Unital.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Leben die von Friedrich Engels beklagten Missstände auch heute fort? Diese Frage beantwortete die Finanzwissenschaftlerin Prof. Kerstin Schneider in der Reihe Unital sehr eloquent auf Einladung von Westdeutscher Zeitung und Fabu. Trotz Coronavirus-Sorgen war die Citykirche rund zur Hälfte gefüllt.

„Die Probleme damals und heute hören sich ähnlich an“, sagte die Wissenschaftlerin. Doch dann ging sie ins Detail und stellte erst einmal die Zustände Mitte des 19. Jahrhunderts in einen größeren Zusammenhang. So habe es damals wegen einer stark steigenden Bevölkerung sowie der Abschaffung der Leibeigenschaft und der Erlaubnis, in andere Orte zu ziehen, einen großen Überschuss an Arbeitskräften gegeben. 78-Stunden-Wochen, Kinderarbeit und gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen seien normal gewesen.

Gleichzeitig habe die neue Konkurrenz durch Fabrikwaren aus dem In- und Ausland viel Hausindustrie und Handwerk kaputt gemacht. All das führte erst zu einer Verelendung breiter Massen. Doch ziemlich parallel zu den Veröffentlichungen von Engels habe eine Wende eingesetzt, zeigte Kerstin Schneider mit diversen Grafiken: So sanken die Reallöhne bis 1855, um dann wieder stetig anzusteigen. „Bis heute haben sich die Reallöhne versiebenfacht, bei einer Halbierung der Arbeitszeit“, betonte sie. 2020 haben Arbeiter also deutlich bessere Bedingungen als 1855.

Migration sei auch im 19. Jahrhundert schon ein bestimmendes Thema gewesen. „Viele unserer Vorfahren sind aus Osteuropa hier in die Region gekommen“, erinnerte Kerstin Schneider. Eine Antwort auf viele Arbeitslose und Bettler sei das Elberfelder System der Armenfürsorge gewesen, das schnell auch in Barmen eingeführt wurde. Kinderarbeit sei gesetzlich verboten worden und in Wuppertal seien Versicherungen gegen Krankheit und Unfälle erfunden worden. Da der Preußische Staat gesunde Soldaten brauchte, wurden die Arbeitsbedingungen verbessert. Außerdem habe der Staat die Schulpflicht nicht nur eingeführt, sondern auch kontrolliert. „Aus dem ungezügelten Kapitalismus wurde in Deutschland sehr schnell eine soziale Marktwirtschaft mit Wohlstand, von dem wir alle profitieren“, sagte Kerstin Schneider. „Es ändert sich vieles zum Guten.“

Weltweit gebe es zwar immer noch Zustände, wie sie Engels angeprangert habe; gleichzeitig sei aber die Zahl der Hungertoten in den letzten Jahrzehnten sehr stark gesunken. Wichtig sei überall eine gute Bildung. Mit der Digitalisierung sieht die Wissenschaftlerin jedoch neue Herausforderungen auf die Gesellschaft zukommen, die gerade für einfache Arbeiter eine ernste Gefahr darstellen. Anschließend entflammte eine intensive Diskussion zum Kapitalismus.

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