Apotheker-Paar soll die Barmer um 1,7Millionen betrogen haben

Ein Apotheker-Ehepaar und eine schwerkranke Frau sind beschuldigt, Hunderte von Abrechnungen manipuliert zu haben.

Wuppertal/Dorsten. Sie kann nur zwei Stunden am Stück in ihrem Rollstuhl sitzen, dann braucht sie eine ebenso lange Pause. Ohne Morphium sind ihre Schmerzen ohnehin nicht zu ertragen. Und doch muss sich die 53-jährige gelähmte Frau seit gestern vor dem Wuppertaler Landgericht verantworten. Sie ist wegen Beihilfe zum Betrug angeklagt. Die Schadenssumme beläuft sich auf gigantische 1,7Millionen Euro. Das Opfer ist die Barmer Ersatzkasse, die ihren Hauptsitz in Wuppertal hat.

Hauptangeklagt ist ein Apotheker-Paar aus Dorsten. Die Eheleute sollen von 2000 bis 2006 Hunderte von Kathetern falsch abgerechnet haben. Laut Anklage hat die behandelnde Ärztin der gelähmten Frau über Jahre Rezepte über Einmalkatheter, Katheter-Sets und Urinauffangbeutel ausgestellt.

Das unter Verdacht geratene Apotheker-Paar soll Rezepte jeweils am Monatsende bei der Krankenkasse eingereicht, die Produkte aber nicht geliefert haben. Stattdessen habe man das Geld unter sich aufgeteilt, so der Staatsanwalt.

Zum Prozess-Auftakt schwieg das Apotheker-Paar dazu. Die gelähmte Mitangeklagte ließ über ihre Verteidigerin verlauten, sie habe sich nicht bereichert. Und auch das Gericht stellte mit Blick auf die Frau im Rollstuhl fest: "Die Angeklagte war auf die Katheter angewiesen."

Insofern müsse die von den Ermittlern ausgerechnete Schadenssumme wohl relativiert werden. Allerdings will das Gericht auch aufklären, ob es sein kann, dass eine Frau mit Blasenlähmung zuletzt 44 Einweg-Katheter pro Tag verbraucht. Diese Anzahl halten die Ermittler allerdings für unwahrscheinlich.

Gegen die Ärztin der Rollstuhlfahrerin wurde ein abgetrenntes Betrugsverfahren inzwischen eingestellt. Auflage: Die Frau muss 50 000 Euro an die Barmer zahlen.

Die Krankenkasse selbst hat in dem millionenschweren Fall Anzeige erstattet. Allerdings erst spät, wie gestern das Gericht anmerkte. Auf Ungereimtheiten bei den Abrechnungen war man bei der Barmer offenbar erst gestoßen, als man den Umsatz aller Apotheken verglich. Dabei fiel das Ehepaar aus Dorsten laut Staatsanwaltschaft "komplett aus dem Rahmen". Es folgte eine Stichprobe, dann die Anzeige.

Der Katheter-Fall hat bereits zu neuen Kontrollmechanismen bei der bundesweit agierenden Krankenkasse geführt. Offenbar mit Erfolg: Im vergangenen Jahr holte die Barmer mehr als 3,24 Millionen Euro aus Fehlbeträgen zurück. Den deutschen Krankenkassen entsteht laut "Transparency International" durch Abrechnungsmanipulationen jährlich insgesamt ein Schaden von "mehreren Milliarden Euro". Ein Sprecher der Gesetzlichen Krankenversicherer sagte, das habe auch "Relevanz für die Beitragshöhe" für die Versicherten.

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