Angeklagte Anwältin contra Richterin

Prozess ums "heilige" Beratungsgeheimnis.

Wuppertal. Ist ein Richter befangen, eine Richterin, zu der er nach eigener Aussage ein "sehr kollegiales Verhältnis" pflegt, als Zeugin so zu befragen, dass er den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage neutral bewerten kann? Die Verteidiger der bekannten Anwältin Andrea Groß-Bölting bezweifeln das, stellten am Freitag zum Auftakt des Berufungsprozesses gegen die Advokatin einen Befangenheitsantrag gegen den Richter. Auch dass dessen Dienstvorgesetzter, der Präsident des Landgerichts Josef Schulte, die Strafanzeige gestellt hat, bleibe ihrer Meinung nach nicht ohne Einfluss auf den Richter. Zudem stellten sie auch Antrag auf Einstellung des Verfahrens. Begründung: In der Strafanzeige des Landgerichtspräsidenten sei der Verfasser nicht eindeutig zu erkennen.

Über all diese Anträge sollen bis zum nächsten Verhandlungstermin am 10. Februar entschieden sein. Das Verfahren hat eine lange Vorgeschichte: Wegen Verleumdung einer Richterin wurde Groß-Bölting 2007 zu einer Geldstrafe von 14.400 Euro verurteilt. Laut Anklage soll sie im Rahmen eines Gnadenverfahrens 2006 zugunsten eines Mandanten die damalige Vorsitzende Richterin Andrea Vosteen des Bruchs des unter Juristen als "heilig" geltenden Beratungsgeheimnisses bezichtigt haben. Ein solcher Verstoß zöge dienstrechtliche Konsequenzen nach sich. Es kam erst zur Strafanzeige gegen die Anwältin, schließlich zur Verurteilung. Jetzt gibt es das neue Verfahren weil die streitbare Juristin Berufung gegen das erste Urteil einlegte.

Am Freitag bestätigte Groß-Bölting ihre Aussage der erstinstanzlichen Vernehmung: Sie habe damals selbst gehört, wie Vosteen im Anschluss an die Urteilsverkündung 2005 auf Nachfrage des Staatsanwaltes sinngemäß gesagt habe, es sei eine schwierige Beratung gewesen, bei der sich die zweite Berufsrichterin der Abstimmung enthalten habe. "Das Dienstvergehen war mir völlig gleichgültig", so Groß-Bölting. Sie habe aber darin einen Hinweis gesehen, dass sich die Richter nicht einig waren - Grund für eine Revision des Urteils. "Das ist ein massiver Vorwurf", sagte dagegen Richterin Andrea Vosteen als Zeugin, und ergänzte: "Er stimmt nicht". Der Prozess wird fortgesetzt.

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